Trinkwasserqualität, Sichtweiten bis 25 m und eine spiegelglatte hellblaue Wasseroberfläche, die im Hintergrund von einer steil aufragenden Bergkulisse gesäumt wird - nicht nur Sporttaucherinnen und Sporttaucher lassen sich von der besonderen Atmosphäre des Attersees fesseln. Für das Tauchen mit wissenschaftlicher Zielsetzung haben die lichtdurchfluteten, mit heller Seekreide überzogenen Uferbereiche besonderes Potential. Hier verbirgt sich ein europaweit einzigartiges Archiv menschlicher Vergangenheit.
Tauchgänge in die prähistorischen Pfahlbauten am Attersee gehören allerdings zu einem Privileg, welches nur wenigen Forschungstaucherinnen und Forschungstauchern mit einer umfangreichen Ausbildung genehmigt wird. Die Reste der prähistorischen Siedlungen stellen nämlich äußerst empfindliche, schützenswerte Unterwasserdenkmäler dar. Ähnlich den Berufstaucherinnen und Berufstauchern, führen sie anspruchsvollste Arbeiten unter Wasser aus. Im Gegensatz zur Berufstaucherei, steht jedoch das wissenschaftliche Anliegen im Fokus. Im Arbeitsalltag wird ein Höchstmaß an Leistungsbereitschaft, Disziplin und Begeisterung gefordert, weil Tauchsicherheit sowie effektives und präzises Arbeiten unter Wasser gewährleistet werden muss.
Hierbei handelt es sich jedoch keinesfalls um Wunschvorstellungen von unpraktisch veranlagten Akademikerinnen und Schreibtischarchäologen. Aus meiner Sicht ist es wichtig als archäologisch interessierte Taucherinn bzw. Taucher, egal ob auf beruflicher oder privater Ebene, ein Bewusstsein für kulturelles Erbe unter Wasser zu entwickeln und Verantwortung zu übernehmen. Viele Menschen, die nichts mit Archäologie zu tun haben, denken nach wie vor, Unterwasserarchäologie und Schatzjägerei sind im Grunde dasselbe. Aber Nein! - Genau das Gegenteil ist der Fall. In der modernen Unterwasserarchäologie hat man davon Abstand genommen archäologische Stätten rein aufgrund der hübschen Artefakte auszubeuten. Das Entnehmen von Fundstücken aus den Siedlungsschichten ist leider oft mit der Störung und Zerstörung der einzigartig gut konservierten Zeitkapseln verbunden.
Natürlich hat es seinen Reiz in die Welt der Pfahlbauten eintauchen zu können, dabei schwerelos durchs Wasser zu gleiten und auf perfekt konservierte Fundstücke zu stoßen. Doch die prähistorischen Siedlungen haben auf archäologischer Ebene viel mehr zu bieten. Mich persönlich fasziniert es beispielsweise, als Taucherin und Archäologin, die Möglichkeit zu haben von der Probenentnahme von Bohrkernen bei taucharchäologischen Aktionen im See, bis hin zur Analyse im Labor hautnah dabei sein zu können.
Heutzutage sind oft die nach außen hin eher unscheinbar wirkenden Dinge diejenigen, welche am vielversprechendsten für die Wissenschaft sind. Gerade im Forschungsfeld der Pfahlbauarchäologie spielen etwa Sedimentproben, die man in Form von Bohrkernen entnimmt, eine bedeutende Rolle. Die Bestandteile der ungestörten, matschigen gräulich-braunen Siedlungsschichten verbergen großartige Einblicke in vergangene Welten. Mit Hilfe der Bestandteile wie mikroskopisch kleinem, fossilem Blütenstaub können etwa Vegetation- und Landschaftsrekonstruktionen durchgeführt werden und Hinweise auf den prähistorischen Klimawandel gewonnen werden.
Heute wissen wir, dass die im Alpen- und Voralpenraum verbreiteten Pfahlbausiedlungen viel mehr zu bieten haben als Steinartefakte, Keramik, Schmuck oder Knochengeräte. Das unterwasserarchäologische Abenteuer der Erforschung der Pfahlbauten rund um die Alpen hält einzigartige Hinweise bereit, vergangene Kulturen und menschliche Identitäten zu rekonstruieren.
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