Strahlender Sonnenschein, ein türkis funkelnder See, bunte Wälder und verschneite Berge. Nein, das ist keine Werbeeinschaltung, kein Windows-Hintergrundbild und auch kein Urlaubsbericht. Es handelt sich vielmehr um den herrlichen Ausblick von unserer Schlämmstation aus. Wir – Bianca und ich – sieben hier das Sediment einer unterwasserarchäologischen Ausgrabung. Ein Traumjob!
Die diesjährige unterwasserarchäologische Ausgrabung im Projekt der Oberösterreichischen Landes Kultur GmbH und des Kuratorium Pfahlbauten fand bei Abtsdorf am Attersee statt. Der Befund: ein gewaltiger Holzbalken mit Bearbeitungsspuren aus der Eisenzeit. Die Freilegung und Erforschung des Balkens erfolgte durch ein Team geübter Forschungstaucher:innen. Bianca und ich arbeiteten einstweilen an Land, an der Schlämmstation. Das von den Taucher:innen abgetragene und abgesaugte Sediment gelangte zu uns und in einem großen Sieb durchsuchten wir dieses nach menschlichen Hinterlassenschaften. Hier gilt anzumerken: wirklich alte Fundstücke schätzen wir deutlich mehr als zum Beispiel rostige Kronkorken.
Da keine Kulturschicht gefunden wurde, erwarteten wir auch wenig Fundmaterial, was sich als richtige Annahme erwies. Zudem war der Befund für die Erhaltung einer ordentlichen Stratigraphie leider schon zu stark gestört.
Es standen uns tatsächlich ein paar fundtechnisch wenig spektakuläre Tage bevor. Dafür klaubten wir in dieser Zeit fleißig Insektenlarven aus dem Sediment. Ab und zu konnten wir aber doch die ein oder andere verrundete Scherbe oder ein Stück Holzkohle entdecken. Auch Holzreste behielten wir auf.
Eine bei unseren Besucher:innen dieser Tage übrigens überaus beliebte Frage: „Und – habt ihr schon Gold gefunden?“
„Ja, sowieso. Eine ganze Kiste voll.“
Okay, nein – haben wir nicht. Aber einen goldenen Sprühdosenkopf. Der glitzert auch.
Dennoch gab es am Ende einige Funde und aufregende Highlights. Ein Objekt aus Holz wird euch Bianca im kommenden Beitrag vorstellen. Mein persönliches Highlight im Fundmaterial erwartete mich schließlich in der letzten Grabungswoche. Und nein – ich muss euch enttäuschen – wieder kein Gold. Es war eine etwas mitgenommene, grob gemagerte Keramikscherbe mit Handhabe. Objektiv gesehen mag das nicht beeindruckend klingen, ich habe mir trotzdem „einen Haxen ausgefreut“. Das Exemplar war in diesem Fundmaterial einzigartig und man konnte die Befestigung der Handhabe an der Gefäßwand sehr gut erkennen. Diese dürfte nämlich in ein Loch in die unfertige Wand gesteckt und festgestrichen worden sein. Bei der Trocknung bzw. dem Brand bildete sich hier jedoch innen und außen ein deutlicher Riss um die Handhabe, der diese von der umliegenden Wand hob. Diese Begebenheit erfreute mein Bastlerherz ungemein.
Hatten wir dann doch einmal Pech mit dem Wetter, legten wir das Fundmaterial in unserer Basis im Union Yacht Club Attersee zum Trocknen auf und entflohen so der kalten Nässe. Der November zeigte sich jedoch von seiner besten Seite und es wurde sogar die Chance für das eine oder andere Erfrischungsbad ergriffen.
Wie es eben kommen muss, war auch diese Kampagne wieder viel zu schnell vorbei und das Team bereits sehr zusammengeschrumpft. Als wir alles Sediment fertig untersucht und die Dokumentation abgeschlossen hatten konnten Bianca und ich uns einen gemütlichen vorletzten Grabungstag machen. So kam es, dass wir mit den verblieben beiden Taucher:innen und unserem fürsorglichen Bootsführer einen Ausflug zur Grabungsstelle unternahmen. Versorgt mit Schokolade und Zuckerln genossen wir das ruhige Schaukeln des Bootes im Licht der Morgensonne. Bei einer sanften Briese beobachteten wir die Taucher:innen bei den letzten Maßnahmen Unterwasser. Ein überaus gelungener Abschluss, wie ich finde.
Projektinfo:
Das Projekt „Zeitensprung“ ist Teil einer groß angelegten Forschungsinitiative, die infolge der Aufnahme von 111 internationalen Fundstellen in die Welterbeliste (UNESCO World Heritage Prehistoric Pile Dwellings around the Alps) initiiert wurde. Die Pfahlbauforschung war in Österreich zuvor lange vernachlässigt worden und steht nun hinter der internationalen Forschung deutlich zurück. Mit neuen und innovativen Methoden sollen die Kenntnisse zu den österreichischen urgeschichtlichen Siedlungen in Seeuferbereichen am Attersee und Mondsee rasch erweitert werden. Die Forschungsergebnisse werden in eine oberösterreichische Ausstellung zum Thema „Pfahlbauten“ 2027 einfließen.
Die Projektleitung liegt bei Dr. Jutta Leskovar – Oberösterreichischen Landes Kultur GmbH (jutta.leskovar@ooelkg.at) und Mag. Cyril Dworksy (dworsky@pfahlbauten.at) – Kuratorium Pfahlbauten.
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