Hier kommt ein Lebenszeichen von der Außenstelle der Unterwasserausgrabung Weyregg II, dem Depot des Oberösterreichischen Landesmuseums in Linz. Mein Arbeitsplatz ist im Gegensatz zur Forschungsbasis im Strandbad Weyregg oder gar dem Attersee selbst wohlig warm, doch dafür ist er weitab vom natürlichen sozialen Umfeld einer Archäologin, dem Grabungsteam, gelegen. Dass man unter diesen Umständen (warm, aber ein bisschen einsam) beginnt, sich mit seinen Fundobjekten zu unterhalten, und spontane lyrische Ergüsse wie „Zehn kleine Silices“ vor sich hin summt (mit etwas Arbeit könnte das sicher ein Hit werden, nur leider hab ich den Text wieder vergessen…), erscheint mir ganz natürlich. Nur – warum bin ich überhaupt hier, im warmen Museumsdepot, und ertrage nicht kameradschaftlich mit meinen KollegInnen die Kälte am bzw. im See?
Der Grund dafür ist, dass ich während dieser Grabungskampagne an der Funddokumentation mitwirke, die eben hier im Museumsdepot stattfindet, wo die Funde der Grabungskampagnen der Vorjahre gelagert werden. Die ausführliche Dokumentation der gesamten Arbeit ist in der Archäologie essentiell. Während die Befunde, also alle nicht-beweglichen Strukturen wie etwa die Kulturschichten von Weyregg II oder Gruben und Pfostenlöcher bei einer Grabung an Land, bereits während der laufenden Grabung dokumentiert werden, müssen die beweglichen Fundstücke meist erst sortiert, gereinigt und gegebenenfalls restauriert werden, und können daher oft erst nach Abschluss einer Grabung auch abschließend dokumentiert werden.
Die Funddokumentation erfolgt meistens auf mehreren Ebenen, um ein möglichst umfassendes Gesamtbild eines Fundes zu erhalten. So werden die charakteristischen Merkmale der einzelnen Fundstücke beschrieben, die Funde werden fotografiert und häufig auch gezeichnet. Oft wird man hier als Archäologin gefragt, warum die Objekte denn fotografiert UND gezeichnet werden. Der Grund dafür ist, dass es mithilfe einer Zeichnung möglich ist, spezielle Merkmale eines Fundstückes, wie beispielsweise Verzierungen oder Herstellungsspuren, gezielt hervorzuheben. Mit einem Foto hingegen ist das nicht möglich; das bietet stattdessen einen besseren „Gesamteindruck“ des Objekts, da es auch die Farbe und Oberflächenstruktur genau wiedergibt.
Alle diese Dokumentationsdaten werden häufig gesammelt in einer Datenbank gespeichert. Auch das Projekt "Zeitensprung" hat es sich zum Ziel gesetzt, alle Fundobjekte in einer Funddatenbank zu erfassen. Und meine Aufgabe während der letzten drei Wochen war es nun, für diese Datenbank Fotos der Funde der Grabungskampagnen von Seewalchen 2015 und Weyregg II 2016 zu machen. Dabei ging es nicht darum, technisch perfekte, publikationsreife Fotos zu schießen, sondern darum, dass die Objekte leicht (wieder-)erkennbar sein müssen, wenn man sie in der Datenbank sucht. Daher wurden alle Stücke, die einer Fundnummer zugeordnet sind (was eine einzelne Silexpfeilspitze, aber auch bis zu 70 Keramikfragmente sein können) zusammen fotografiert.
Doch während ich mit archäologischen Fundzeichnungen bereits viel Erfahrung habe, hatte ich zuvor erst einmal im Rahmen einer Lehrveranstaltung Funde fotografiert. Der richtige Umgang mit der Kamera und vor allem das Finden der optimalen Einstellungen benötigten daher anfangs etwas Zeit. Um scharfe Fotos zu bekommen ist beispielsweise eine kleine Blendenöffnung nötig, die zu einer großen Tiefenschärfe führt, während gleichzeitig eine relativ lange Belichtungszeit eingestellt werden muss, damit die Fotos nicht zu dunkel werden. Das macht die Bilder jedoch „verwacklungsanfälliger“, weshalb ich auf einen Tipp des Fotografen des Oberösterreichischen Landesmuseums hin schnell begann, nur noch mit dem Selbstauslöser zu arbeiten.
Neben den Kameraeinstellungen sorgten auch die Fundstücke selbst für die eine oder andere Herausforderung . Es ist bemerkenswert, in welch unterschiedlichem Ausmaß unbelebte Objekte „fotogen“ sein können (oder eben auch nicht). Während sich kleine Funde wie Pfeilspitzen, Silexabschläge oder Kalksteinperlen, die ich anfangs für „Problemkinder“ gehalten hatte, als äußerst kameratauglich herausstellten, ließen sich vor allem große Keramikfragmente und Steine häufig nur schwer richtig scharf stellen. Ganz allgemein erwiesen sich zudem Steinobjekte als deutlich fotogener als Keramikbruchstücke, was jedoch hauptsächlich daran liegt, dass Keramik viel bröseliger ist und es daher deutlich schwieriger ist, davon ein im wahrsten Sinne des Wortes „sauberes“ Foto zu bekommen.
Daher bin ich stolz, dass mir trotz dieser kleinen Hindernisse inzwischen ganz passable Fotos gelingen. Bis alle Funde für die Datenbank abgelichtet sind (die Fotodokumentation wird diesen Sommer fortgesetzt), habe ich dann vielleicht sogar genügend Erfahrung gesammelt, um auch schöne, druckreife Fotos für die Publikationen machen zu können. Zumindest fast.
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