Eigentlich komme ich nur arbeitsbedingt an den Attersee für Besprechungen, archäologische Vorträge, Workshops an Schulen oder Taucharbeiten an den Fundstellen. Trotzdem freue ich mich immer auf eine Reise ins Salzkammergut, besonders wenn die Tauchkampagnen vom Kuratorium Pfahlbauten starten oder wie diesmal die Grabung im Projekt „Zeitensprung“ des Oberösterreichischen Landesmuseum.
Dann kommt alles zusammen: Ich tauche im kalten Wasser nach Spuren aus der Vergangenheit, mache eine Menge Selfies mit der tollen Bergkulisse und arbeite zusammen mit lustigen Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Ländern. Dabei lerne ich immer wieder neue Leute kennen, freue mich aber auch bekannte Gesichter wieder zu sehen. In den Grabungsunterkünften wurden wir bislang immer herzlich empfangen und ich konnte feststellen, dass der Attersee von hervorragenden Schnapsbrennerinnen und Schnapsbrennern besiedelt ist. Jedes Jahr bringe ich Vorrat mit nach Wien und somit weiß auch jeder aus meinem Umkreis meine Arbeitswochen in Oberösterreich besonders zu schätzen.
Anders als sich Freunde von mir meine archäologische Arbeit vorstellen, pinsele ich nicht unter einem Sonnenschirm winzige Knochen frei. Meist werden Tauchkampagnen im Frühling oder Herbst durchgeführt. Da hat die Algenblüte noch nicht eingesetzt bzw. ist bereits vorüber und wir müssen nicht auf Schifffahrt und Badegäste achten. Das Wasser bietet dann eine klare Sicht ist aber auch kalt und zudem begrüßt uns das Wetter nicht immer mit milden Temperaturen und Sonnenschein.
Statt Sonnencreme schmiere ich mir also eine dicke Schicht Vaseline ins Gesicht bevor ich meinen Grabungsschnitt betrete. Die schützt wie eine zweite Haut vor der Kälte, denn trotz Trockentauchanzug werden die Hände und der Kopf immer nass. Die schwere Taucherausrüstung geschultert, im Tauchanzug eingeschlossen bereits schwitzend, kommt dann endlich der erlösende Sprung ins kalte Nass. Und mit einem Mal wird alles leicht und ruhig.
Das mag ich besonders gern an der Arbeit unter Wasser. Alles muss vorab gut im Team besprochen werden, denn unter Wasser kann man sich nur mehr bedingt verständigen. Auch die Arbeitsschritte muss man sich im Einzelnen überlegen, so manches Werkzeug verhält sich nämlich unter Wasser ganz anders als an Land. Was schwimmt muss beschwert oder angebunden werden, sonst ist es weg. Dort unten an der Schnittfläche gibt es nur mehr mich und meine Aufgaben. Es beginnt die Detektivarbeit. Was befindet sich da vor mir im Seeboden? Liegt hier ein Pfahl, eine Keramikscherbe, ein Knochen oder ein Steinartefakt? Was grabe ich gerade aus: Eine Abfallgrube, eine Kochstelle, die Ecke eines Wohnhauses, einen Gehweg? Mit jedem Handgriff wird mehr sichtbar, aber verschwindet auch etwas unwiederbringlich. Ich muss aufpassen und will keinen Fehler machen. 1,5 bis 2 Stunden hoch konzentrierte Arbeit liegen vor mir, aber die Zeit vergeht wie im Flug. Erst abends in der Unterkunft, wenn ich mit meinen Kollegen und Kolleginnen den Befund bespreche, werde ich meine Arbeit am eigenen Körper spüren. Die erste Woche ist dies-bezüglich am schlimmsten, dann wird es besser.
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