Henrik Pohl wird im Projekt Zeitensprung unter der Leitung von Jutta Leskovar im Oktober 2015 als Grabungsleiter die Verantwortung für die erste umfassende archäologische Unterwassergrabung in Österreich seit beinahe 30 Jahren tragen. Grund genug, den kühlen Blonden von der Ostsee im Porträt vorzustellen.
CL: Henrik, du bist ja an der Ostseeküste aufgewachsen, da ist es naheliegend zu vermuten, dass das deinen Weg zur Unterwasserarchäologie vorgezeichnet hat. War das so?
HP: Nein, eigentlich nicht. Mein Vater war zwar Seemann und es gab sicher auch schon früh einen gewissen Bezug zum Wasser, aber zu DDR-Zeiten war die Küste ziemlich abgeriegelt. Ganz so einfach war es da nicht, zu tauchen. Nach einem ersten Tauchgang, den ich mit wahrscheinlich 11 Jahren mal mit einer Gruppe mitgemacht hatte, war ich viele Jahre lang nicht mehr unter Wasser.
CL: Du bist also nicht über das Tauchen zur Archäologie gekommen?
HP: Nein, eher umgekehrt: Man könnte sagen, ich bin über die Archäologie zum Tauchen gekommen. Ich habe Klassische Archäologie und Ur- und Frühgeschichte in Rostock studiert. Um ein wenig Auslanderfahrung zu sammeln, kam ich zum Studium für ein Jahr nach Wien. Dort ist mir klargeworden, dass ich mich spezialisieren muss, wenn ich in der Archäologie Fuß fassen will. Als ich dann zurück kam nach Rostock lief da gerade das erste Schiffsarchäologische Seminar. Das hat mich gereizt und dafür habe ich dann 1995 auch den Tauchschein gemacht.
CL: Das heißt, du bist jetzt seit 20 Jahren in der Unterwasserarchäologie tätig.
HP: Ja, dieses Jahr ist quasi ein Jubiläumsjahr für mich. Da ist es natürlich besonders schön, wenn gerade dann auch ein neuer Abschnitt in meinem Forschungsgebiet beginnt.
CL: Da spielst Du auf die Grabung in der Sprungturmgrube in Seewalchen an, richtig? Warum ist diese Grabung so außergewöhnlich?
HP: Sie ist so außergewöhnlich, weil es die erste umfassende archäologische Grabung ist, die in Österreich seit fast 30 Jahren unter Wasser durchgeführt wird, und ich bin stolz darauf, dass ich sie leiten darf.
CL: Hattest Du da viel Konkurrenz?
HP (lacht): Nein, nicht wirklich. Das ist ja einer der Gründe, warum mich das Kuratorium Pfahlbauten auch als Site Manager eingestellt hat. Ich habe nicht nur ein abgeschlossenes Archäologiestudium, sondern auch eine Ausbildung als Forschungstaucher. Archäologische Forschungstaucherinnen und -taucher gibt es in Österreich etwa eine Hand voll. Auch in den Naturwissenschaften gibt es davon nicht viel mehr. Dabei ist es gesetzlich geregelt, dass in Österreich wissenschaftliche Arbeiten unter Wasser beruflich nur von wissenschaftlichen Tauchern ausgeführt werden dürfen.
CL: Wenn ich es richtig verstanden habe, bist Du aber nicht nur ausgebildeter Forschungstaucher, sondern selbst sogar Ausbilder.
HP: Ja, das ist korrekt. Ich habe damals in den 1990ern gleich beim zweiten Schiffsarchäologischen Seminar der Gesellschaft für Schiffsarchäologie in Rostock mitgemacht und das später auch geleitet. Den Taucherinnen und Tauchern zu vermitteln, wie man denkmalgerecht taucht, ist mir heute noch ein großes Anliegen, sodass ich diese Ausbildung nach wie vor leite, seit einigen Jahren gemeinsam mit meinem Kollegen Martin Siegel. Inzwischen werde ich auch von internationalen Institutionen zu Rate gezogen, wenn es darum geht, denkmalgerechte Tauchkurse zu entwickeln. Der Denkmalschutz unter Wasser ist einfach unglaublich wichtig. Man kann sich kaum vorstellen, wie viele Informationen für immer zerstört werden, wenn man die Objekte nicht sachgemäß ausgräbt. „It's not what you find, it's what you find out“, sage ich immer.
CL: Ist das für dich das Spannendste an der Archäologie, zu ergründen, wie alles miteinander zusammenhängt?
HP: Ja, heute ganz sicher. Am Anfang fand ich einzelne Fundobjekte prickelnd. Aber das lag sicher auch daran, dass ich mit Schiffswracks begonnen habe. Die sind ja wie eine Zeitkapsel, die einen ganz bestimmten Moment festhält. Heute schätze ich eher die komplexen Zusammenhänge, die es bei Siedlungsgrabungen gibt, wie wir sie in Seewalchen nun machen werden. Die habe ich aber auch erst richtig schätzen gelernt, als ich im Jahr 2005 nach Österreich gekommen bin. Das waren zwar Landgrabungen und von daher war ich da nicht so ganz in meinem Element (lacht), aber mir wurde schon schnell klar, wie viel mehr man aus solchen gewachsenen Strukturen über das Leben der damaligen Menschen aussagen kann.
CL: Ist das das Tollste an deinem jetzigen Job, dass du mit so komplexen Strukturen arbeitest?
HP: Vielleicht in wissenschaftlicher Hinsicht. Für mich persönlich in meinem Arbeitsalltag ist es das Tollste, dass ich so selbständig arbeiten kann innerhalb des kleinen, aber sehr gut funktionierenden Teams des Kuratoriums. Die Forschung selbst macht allerdings bei meinem Job nur vielleicht 20% aus. 80% sind Denkmalschutz und das ist auch notwendig so. Immerhin ist es unser Auftrag, die UNESCO-Welterbestätten, für die wir als Kuratorium Pfahlbauten verantwortlich sind, auch für kommende Generationen zu bewahren.
CL: Da fällt das Projekt Zeitensprung ja richtig aus dem Rahmen, wenn es neue Forschungsergebnisse für die Landesausstellung 2020 zum Thema Pfahlbauten erbringen soll.
HP: Allerdings. Und natürlich gebe ich schon zu, dass es sehr reizvoll ist, durch das Projekt Zeitensprung nun auch mal Gelegenheit zu bekommen, an assoziierten Fundstellen – wie wir das nennen – mit modernen Methoden forschen zu können. Man darf nicht vergessen, dass es hinsichtlich der österreichischen Pfahlbauten eine Forschungslücke in der Archäologie gibt, die rund 30 Jahre umfasst. International ist die Entwicklung aber ja nicht stehen geblieben. Es wurden ganz neue Methoden und Herangehensweisen, aber auch technische Hilfsmittel entwickelt, die wir hierzulande nun einsetzen können, um endlich mehr darüber zu erfahren, wie Pfahlbau-Siedlungen in Österreich ausgesehen haben, welche eigenständigen Entwicklungen es gibt, wo das Verbindende liegt.
CL: Eine letzte Frage noch: Tauchst Du eigentlich auch privat?
HP: Sehr selten. Ich muss wohl zugeben, dass Tauchen heute für mich vor allem mein Weg zur Arbeitsstelle ist, was aber auch nicht das Schlechteste ist.
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