Ja, es muss seltsam gewirkt haben als wir letzte Woche, am 08.November, gebeugt über einem aufgeschnittenen Plastikrohr gefüllt mit faulig riechendem Seesediment standen, dieses sorgsam in Scheiben zerteilten und den Dreck wieder liebevoll in kleine Säckchen verpackten. Diese Säcke voll mit Dreck liegen nun in einem Kühlschrank am ÖAI - dem Österreichischen Archäologischen Institut der ÖAW in Wien. Doch dieser Dreck hat einen Zweck! Es handelt sich nämlich um jungsteinzeitliche Kulturschichten mit einer Fülle an organischen Resten, die von Archäobotaniker Andreas G. Heiss weiter untersucht werden.
Diese Sedimentproben wurden diesen Herbst mit einem Bohrgerät direkt aus dem Siedlungsbereich der Pfahlbaustation Weyregg II von unserem Zeitensprung-Grabungsteam genommen. Bei der Bohrung wird ein 9cm dickes Plastikrohr mit einem Schwinghammer von der Tauchmannschaft in den Seeboden eingeschlagen. Das kostet ganz schön Kraft und viel Luft!
Ist das Rohr tief genug eingeschlagen, kann das Team an Bord des Forschungsbootes helfen. Durch eine am Boot befestigte Winde wird das Bohrgerät langsam hochgezogen. Der Unterdruck in dem Plastikrohr zieht dabei das Sediment aus dem Boden mit heraus. Das volle Plastikrohr muss anschließend schnell mit zwei Deckeln verschlossen und mit Verpackungsfolie und Klebeband luftdicht eingepackt werden. So können die Bohrkerne nun transportiert werden.
Insgesamt 9 Bohrkerne konnten innerhalb der diesjährigen Grabungskampagne gezogen werden. Sechs davon kamen letzte Woche ins Labor des ÖAI und wurden dort von uns geöffnet.
Die Bohrkerne sind zwischen einem und zwei Meter lang und beinhalten alle noch erhaltenen Siedlungsphasen der Pfahlbaustation Weyregg II. Die Sedimentabfolge lässt bereits verschiedene Abschnitte erkennen. Hier gilt zunächst die Faustregel: je höher an der Oberfläche umso jünger sind die Ablagerungen, je tiefer umso älter datieren die Schichten. Die Tiefe und Stärke der jeweiligen Sedimentabschnitte wurde von uns gemessen, beschrieben und einzeln für die weitere archäobotanische Untersuchung verpackt. Außerdem konnten bereits erste Proben für eine 14C-Datierung der einzelnen Schichten entnommen werden.
Mit diesen Säcken voll Dreck, kann Andreas G. Heiss nun so einiges anstellen: Er sucht nach Überbleibseln von Kultur- und Wildpflanzen, also beispielsweise Nussschalen, Samen oder Kernen von Früchten, Getreidespelzen, usw. Mit Hilfe dieser Pflanzengroßreste kann er dazu beitragen herauszufinden, was die jungsteinzeitlichen Uferbewohner des Attersees auf ihren Feldern anbauten, und wie sie sich ernährten. Anhand der Schichtabfolge kann er auch vergleichen, welche Großreste sich in welcher Zeit ablagert haben und ob Veränderungen erkennbar sind.
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