Es gibt Momente, in denen glaubt man einfach nicht recht, was man da sieht und genau einen Solchen hatte ich am gestrigen Tag auf der Grabungsfläche von Weyregg II, nachdem ich im Mai diesen Jahres das letzte Mal dort gearbeitet hatte um nun erneut in das Team zurückzukehren.
Eine Grabungsfläche verändert sich natürlich je länger die Arbeiten andauern und ist man auch nur einen kleinen Zeitraum abwesend, kann es einige Zeit dauern bis man sich wieder dort zurechtfindet. So erging es mir auch, gepaart mit anderen Sichtverhältnissen im See, zum Teil neuer Ausrüstung, insgesamt eben auch einer neuen Ausgangssituation.
Man steigt also früh morgens in das Boot, fährt zur Ausgrabung raus, schält sich in seine Ausrüstung und lässt sich in das Seewasser sinken, den Kopf voller Erinnerungen an die letzte Kampagne, Details der Fläche, Arbeitsabläufe, Funde etc. Man konzentriert sich auf den Tauchgang, findet die Schläuche der Dredges, der Unterwassersauger, am Grund liegen und folgt Ihnen, da man weiß, so auf dem schnellsten Weg und ohne erneutes Auftauchen zur Grabungsfläche zu kommen.
Der Rahmen taucht auf, alles sieht eigentlich so aus wie einige Monate zuvor, doch schaut man genauer hin, hat sich das vertraute Bild verändert. Die Oberfläche der aktuellen Dokumentationsoberfläche liegt viel tiefer, Pfähle und Hölzer, die man zum Teil selbst entdeckt und vermarkt hat, stehen nun frei oder sind bereits geborgen. Die gesamte Gestalt des ehemaligen Bodens hat sich sehr verändert. Es dauert eine ganze Weile bis man das abgespeicherte Bild im Kopf mit der aktuellen Lage visuell abgeglichen und soweit aktualisiert hat, dass man sich wieder den eigentlichen Arbeitsfragen und Abläufen widmen kann.
Und dann geschieht es, ich betrachte die Fläche und erkenne erst einmal Vieles wieder. Hier ein großes liegendes Holz das im Mai noch einzeln, heute wie in einem Mikado Spiel auf anderen aufliegt und sich zu mir aufbäumt. Dort ein großes Gefäßfragment und ein großer Stein, der beim letzten Mal nur wie ein Eisberg mit der Spitze herausschaute, heute seine wahren Dimensionen zeigt und am Ende der Fläche, ja dort wo ich zuletzt eine Kernbohrung vorgenommen hatte, also einen Bohrkern zur Probenentnahme in das Sediment eingetrieben hatte, im Mai noch zwischen zwei liegenden Hölzern in die aufliegende Kulturschicht, ja genau dort traue ich jetzt meinen Augen kaum… Meine Bohrkammer steckt, wie mit dem Meterstab abgemessen, in einem großen, liegenden Weichholz…der gesamte Durchmesser des Holzes steckt in der Bohrkammer, als hätte man von oben sich das Holz angesehen und entschieden, ein exaktes Stück in der vollen Breite, aber nicht mehr und nicht weniger heraus zu bohren.
Eine Mischung aus Verlegenheit und Belustigung überkommt mich. Es war natürlich im Mai noch nicht abzusehen, dass genau an dieser Stelle weitaus tiefer sich ein liegendes Holz befinden würde, dennoch hat die ungewollte Präzision meiner Bohrung eine solche Qualität, dass sie sowohl mir zu schaffen macht, als auch Loriot vermutlich in archäologischer Hinsicht mindestens zu einem großen Schmunzeln gebracht hätte.
Man weiß am Ende einfach nie was einen dort unten erwartet und wird auch der Bohrkern morgen gezogen, so geht die Arbeit weiter mit der nächsten Schicht, bis zum nächsten Moment innerhalb der Arbeitsabläufe, der einen wieder kurz innehalten lassen wird, für ein Schlucken und ein Lächeln sorgt und einfach aus sich selbst heraus mehr spricht als tausend Worte sagen könnten, unter Wasser allemal.
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