Der Pfahlbauten-Blog wurde von uns vor gerade einmal zwei Monaten kurz vor Beginn des Zeitensprung-Projektes gestartet. Die vierwöchige Kampagne in Seewalchen am Attersee verlief sehr erfolgreich (Henrik Pohl hielt hier bereits eine erste Rückschau auf die Unterwassergrabung). Das erste Jahr 2015 Zeitensprung war für uns vom Kuratorium Pfahlbauten gemeinsam mit den MitarbeiterInnen vom Oberösterreichischen Landesmuseum und vielen weiteren KollegInnen ein wichtiger Schritt, um die österreichische Pfahlbauforschung zu reanimieren und auf einen neuen Level zu heben. Das bedeutet, dass wir Arbeitsschritte testeten, Kooperationen starteten, neue Verfahren ausprobierten, Herausforderungen in der Konservierung angingen, Teams zusammenstellten, Informationskampagnen durchführten und natürlich auch an unseren wissenschaftlichen Fragestellungen arbeiteten.
Warum ist Zeitensprung aber auch für das UNESCO-Welterbe in Oberösterreich und Kärnten wichtig? Zumal die Fundstelle Seewalchen I ja - ebenso wie die in den kommenden Jahren zu untersuchenden Pfahlbaustationen - nicht zu den Welterbestätten gehört. Genau aus den bereits genannten Gründen, denn wir benötigen dieses neue Wissen, um die prähistorischen Pfahlbauten und ihre Umwelt möglichst gut verstehen zu lernen. Natürlich hat jede Fundstelle an ihrem spezifischen Ort ihre Besonderheiten und man sollte sich hüten, alle archäologischen Stätten über einen Kamm zu scheren. Dennoch nützen wir die in Seewalchen gesammelten Erfahrungen, um andere Situationen besser bewerten und interpretieren zu können.
Es ist in der Wissenschaft eben auch nicht anders als in vielen anderen Lebensbereichen. Man könnte es also vielleicht mit dem Kochen vergleichen: je mehr Erfahrung ich mit den verschiedenen Zubereitungsarten und Zutaten aus unterschiedlichen Kochtraditionen habe, umso mehr Sicherheit bekomme ich beim Kochen ohne Kochbücher und traue mich, Grundrezepte zu variieren oder vielleicht auch einmal ganz über den Haufen zu werfen.
In Zeitensprung konnten wir also verschiedene Dinge unter einen Hut bringen: Zum einen wurde die Grundlage für den besseren Schutz der untersuchten Pfahlbausiedlung selbst gelegt. Zum anderen wurde die erste archäologische Unterwassergrabung im großen Stil in Österreich seit fast 30 Jahren durchgeführt, mit der wir grabungstechnisch den Anschluss an internationale Projekte fassen konnten. Denn obwohl auch in den letzten drei Jahrzehnten wichtige Teilergebnisse erarbeitet werden konnten – man denke beispielsweise an die dendrochronologische Datierung der Welterbestätte Keutschach am See durch Otto Cichocki von der Universität Wien – befand sich unser Wissensstand um die Pfahlbauten auf österreichischem Staatsgebiet bis zur Eintragung auf die UNESCO-Welterbeliste im Jahr 2011 mehr oder weniger auf dem Niveau von 1986.
In diesem Jahr mussten die Untersuchungen durch Johann Offenberger vom österreichischen Bundesdenkmalamt und seinem Team größtenteils eingestellt werden. Besonders deutlich wird man an diese unglückliche Zäsur in der Pfahlbauforschung in der Welterbestätte See am Mondsee erinnert. Diese sehr komplexe und in ihrer Vielfalt wunderbare Pfahlbaufundstelle wurde bis zum Schluss von Johann Offenberger erforscht. Noch heute findet man den damals mühsam eingerichteten Vermessungsrahmen unter Wasser vor. Wir freuen uns schon darauf, mit Zeitensprung an diese Arbeiten anknüpfen zu können
Durch Zeitensprung und die in den letzten Jahren entstandenen Synergien mit anderen Projekten können wir nun auch beginnen, tiefergreifende Fragestellungen jenseits der präventiven Schutzmaßnahmen, also unserem Welterbestätten-Monitoring, konkret anzugehen. Beispielsweise erwarten wir uns durch ein dreijähriges Forschungsprojekt der Universität Wien unter der Leitung von Timothy Taylor zusätzliche Informationen zu den historischen Entwicklungen im Mondseeland. Die darin enthaltene Partnerschaft mit Jean-Nicolas Haas vom Institut für Botanik der Universität Innsbruck wird beispielsweise neue Erkenntnisse zu den Veränderungen der Umwelt im Umfeld des Sees und der drei im Mondsee gelegenen Pfahlbaustationen See im Mondsee, Scharfling und Mooswinkel bringen.
Zeitensprung war das bisher sichtbarste Forschungsprojekt, das wir mit der Unterstützung der Direktion Kultur des Landes Oberösterreich und unter der Projektleitung von Jutta Leskovar vom Landesmuseum Oberösterreich realisieren konnten. Das große Interesse an den Forschungen unter Wasser hat uns allen viel Ansporn gegeben, die zukünftigen archäologischen Untersuchungen auch weiterhin sehr offen zu gestalten. Derzeit ist das Team mit den Nachbearbeitungen beschäftigt, aber schon bald beginnen die Planungen für die Fortführung des Projektes 2016 an weiteren Fundstellen im Mondsee und im Attersee.
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