In den bisherigen Blogposts zur Unterwassergrabung in Seewalchen am Attersee wurde schon mehrfach gesagt, dass wir mit dem Projekt Zeitensprung und natürlich auch mit den Partnerprojekten BeLaVi von der Universität Wien und Doing Welterbe vom Naturhistorischen Museum Wien, einen Neustart der Pfahlbauforschung in Österreich machen. Da liegt es natürlich nahe zurückzuschauen, um zu verstehen, warum das überhaupt notwendig ist.
Die Erforschung der unterwasserarchäologischen Fundstätten Österreichs begann in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Der Anstoß, in Gewässern nach Zeugnissen vergangener Kulturen zu suchen, kam aus der Schweiz, wo bereits seit einigen Jahren das sogenannte „Pfahlbaufieber“ grassierte. Ferdinand Keller führte dort 1854 als erster den Begriff „Pfahlbauten“ für die im Zürichsee gefundenen Siedlungsreste ein und man begann in Folge intensiv im gesamten zirkumalpinen Raum nach solchen archäologischen Befunden aus der Urgeschichte zu suchen.
Die erste Pfahlbaustation, die in Österreich gefunden wurde, war jene Siedlung im Keutschacher See, die heute ebenfalls zum UNESCO-Welterbe gehört und die auch in Marco Presheggers Blogpost „Gatschsichtig“ schon erwähnt wurde. Ferdinand Hochstetter entdeckte sie im Jahr 1864. Zu diesem Zeitpunkt waren in Deutschland und der Schweiz bereits mehr als 200 Pfahlbauten bekannt und das Interesse der Forschung war dort derart hoch, dass in den folgenden Jahrzehnten eine lange anhaltende und intensiv ausgetragene Diskussion um die Interpretation der Befunde entbrannte.
Auch in Österreich machte man sich also auf die Suche nach solchen Siedlungsresten. Bis 1880 konnten insgesamt elf Anlagen gefunden werden, dennoch erreichte die Pfahlbauforschung jenen Stellenwert, den sie in der Schweiz hatte, in Österreich nicht. Das mag nicht zuletzt damit zusammen hängen, dass sich die Pfahlbauten in der Schweiz immer mehr zu einem Symbol des Gemeinsamen in dem damals noch recht jungen Bundesstaat entwickelt hatten, welcher gerade erst aus einem eher lockeren Staatenbund entstanden war.
Dennoch kam es auch in Österreich knapp vor der Wende zum 20. Jahrhundert zu einem Aufschwung der Forschung. Neben der Suche nach neuen Pfahlbaustationen standen nun die Fundobjekte im Vordergrund, die oftmals ohne wissenschaftliche Ziele und aus reiner Gewinnabsicht dem Seegrund entrissen wurden, um sie für Geld an Museen und Sammler zu verhökern. Die Schäden, die damals entstanden sind, wirken sich auch jetzt noch nachteilig auf die Forschung aus. Die damals geborgenen Objekte können uns - ohne Kenntnis ihrer exakten Umgebung - kaum etwas über die Menschen und die Siedlungen verraten. Das, was sie uns an Informationen noch übermitteln, mag vielleicht ein Zehntel von dem sein, was sie uns ursprünglich hätten sagen können.
Die Problematik der unsachgemäß geborgenen Funde war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ins Bewusstsein der Forscher gedrungen. Der Aufbau eines Komitees, das sich zum Ziel gesetzt hatte, „…die auf wissenschaftlicher Grundlage und mit modernen Mitteln vorzunehmende Pfahlbauforschung systematisch fortzusetzen“, wurde durch den Ausbruch des zweiten Weltkriegs frühzeitig gestoppt. In den Nachkriegsjahren gab es dann erste Ansätze, wissenschaftliches Tauchen auch in der Erforschung der Pfahlbausiedlungen einzusetzen.
Es dauerte aber noch bis 1969, bis das Bundesdenkmalamt mit einer Bestandsaufnahme historischer Objekte im Unterwasserbereich begann. Dies war der zunehmenden Gefährdung und voranschreitenden Zerstörung von Pfahlbaustationen geschuldet, die einerseits durch die Fund-Aufsammlungen bis hin zu Raubgrabungen von Privatleuten, andererseits durch die Schifffahrt und die Bautätigkeiten im Uferbereich in Mitleidenschaft gezogen wurden.
Unter der Leitung von Johann Offenberger, der sich außerordentlich für die Pfahlbauten einsetzte, wurden Oberflächenaufnahmen und Prospektionen der Uferplatten durchgeführt. Bei seinen Forschungen, an der auch viele Privatleute aus der Region beteiligt waren, wurden bis 1986 zahlreiche neue Stationen entdeckt. 1989 wurde darüber hinaus unter der Leitung von Elisabeth Ruttkay ein interdisziplinäres Pfahlbauprojekt in der Prähistorischen Abteilung des Naturhistorischen Museums Wien begonnen, das unter anderem die Aufarbeitung des vorhandenen Fundmaterials mit modernen Methoden sicherstellen sollte. Schwerpunkte des Projekts bildeten die Station See am Mondsee und der Pfahlbau im Keutschacher See.
In den 1990er Jahren wurde es jedoch wieder recht still um diese einmaligen archäologischen Archive, bis aus der Schweiz die Anregung kam, die prähistorischen Pfahlbauten rund um die Alpen als serielles Welterbe bei der UNESCO einzureichen. Seit 2011 gehören nun insgesamt fünf der rund 30 bekannten Pfahlbaustationen in Österreich offiziell zum UNESCO-Welterbe. Diese fünf wurden ausgewählt aufgrund ihres Erhaltungszustandes, ihres wissenschaftlichen Potenzials oder ihrer aktuellen Bedrohung. Sie stehen symbolisch für das große Ganze der Pfahlbaukultur, über die wir in den kommenden Jahren noch sehr viel mehr zu erfahren hoffen.
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