Diese Woche, also unsere zweite Grabungswoche, war körperlich und geistig sehr anstrengend. Die Halbzeit unserer Grabungskampagne ist bald erreicht und es gibt noch so viel zu tun. Diese Woche war geprägt vom Abtragen der ersten bzw. oberesten Kulturschicht, vom Bergen schöner Keramikbruchstücke, Hornsteinabschlägen und steinzeitlichen Bastschnüren, vom Nummerieren der Holzpfähle und vor allen Dingen davon, eine Ordnung in die verwirrende Schichtenabfolge zu bringen, die so eine Pfahlbausiedlung mit wahrscheinlich mehreren Überschwemmungshorizonten mit sich bringt. Auf der einen Seite versuchen wir TaucherInnen natürlich immer mit großer Sorgfalt, die Kulturschicht nach bedeuteten und wissenschaftlich hochwertigen Funden zu durchsuchen; auf der anderen Seite gibt es noch eine zweite Kulturschicht und diese sollte bald erreicht werden. Die Zeit drängt, wir haben noch viele Zwischenschritte zu schaffen und was wir heute erledigt haben, hätte eigentlich schon vorgestern abgeschlossen sein sollen. Man versucht einfach eine Balance zwischen sorgfältiger wissenschaftlicher Arbeit und zügigem Arbeitsfortschritt zu kreieren. Soweit zur geistgen Anstrengung...
Die körperliche Anstrengung ergibt sich aus dem unverhofften und weihnachtlich anmutenden Wintereinbruch vor ein paar Tagen. Dieser wäre kein Problem, könnte ich mit Kakao vor dem Kamin sitzen oder mit den Skieren die Pisten unsicher machen. Ich muss bzw. wir wollen jedoch bei 2 Grad Aussentemperatur und 5 Grad Wassertemperatur (man merke, es ist im Wasser wärmer als draußen) tauchen und für unsere Unterwasser-Livestream-Kamera lächeln. Mache ich auch eigentlich gerne, aber das kalte Wetter bringt einige Tücken mit sich, die man als Taucherin bedenken muss:
Bevor man überhaupt von der Unterkunft losfahren kann, muss das Auto vom Schnee freigeschaufelt werden – Folge: Schneeballschlacht – Folge: kalte Hände, bevor man ins 5 Grad kalte Wasser reinspringt. Dann: Ziehe mindestens 2-3 mehr Schichten Unterkleidung an, um eineinhalb Stunden im Wasser überleben zu können – Folge: es muss nun auch mehr Blei genommen werden – Folge: man muss die Muskeln ein bisschen mehr trainieren, um aus dem Boot raus und wieder reinkommen zu können – Folge: mit so viel Schichten und Blei sieht man meist aus wie ein gestrandeter Wal und fühlt sich auch so. Oder: Die erste Stufe deines Atemreglers, ein lebensnotwendiges technisches Detail, friert ein – Folge: man lässt seine gesamte Ausrüstung mal 5-10 Minuten im Wasser baumeln, damit alles wieder auftauen kann – Folge: man steht im Schneesturm am Boot und wartet bis man endlich ins 3 Grad wärmere Wasser darf.
Durch ständiges Heizkörper-an-sich-Reißen und lautes Zähne-Geklappere macht sich das Tauchteam bei den KollegInnen in der Forschungsbasis etwas unbeliebt – Folge: sie schicken uns wieder raus ins kalte kalte Nass – Folge: das ganze Senario wiederholt sich – ein Teufelskreis.
Ich hoffe, ich konnte hier einen kurzen Einblick in unseren Tauch- und Grabungsalltag geben. Wer noch mehr über uns und unsere alltäglichen Herausforderungen erfahren will und uns auch vor Ort beim Ausgraben zusehen möchten, evtl. an Board unseres schnittigen Forschungsbootes, kann morgen am 22.04.2017 zu unserem Tag der offenen Grabung im Strandbad von Weyregg kommen. Wir freuen uns auf viele BesucherInnen und teilen auch ausnahmsweise den Heizkörper mit ihnen!
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