Bilder gibt es nur im Kunsthistorischen Museum?
Falsch gedacht. Auch das Naturhistorische hat einige Gemälde und Bilder als Verzierungen an den Wänden und in geheimnisvollen Archiven, die eigentlich „Bildersammlungen“ genannt werden müssen. Ein Archiv ist nämlich streng genommen eine Sammlung von Schriftstücke, Dokumenten, Akten und/oder Urkunden. Bilder zählen da nicht dazu. Genaueres darüber erfuhren wir diese Woche in einer Führung mit Mario-Dominik Riedl – Verwalter der historischen Bilder- und Fotosammlung sowie Digitalisierung der Abteilungsbestände. Er verschaffte uns einen Einblick in den kleinen Bilderraum des Naturhistorischen Museums, der mit Kunstwerken bis oben hin vollgestopft ist. Der Gegenstand, auf den unsere Blicke als erstes fielen, war ein Bild auf einer alten Staffelei. Es handelte sich aber nicht (wie man es vielleicht erwartet hätte) um ein altes, langweiliges Bild von irgendeiner reichen Person, die sich mal porträtieren hat lassen, sondern um das erste authentische Unterwasser-Ölgemälde überhaupt. Eugen Freiherr von Ransonnet-Villez (1838-1926) ist der Schöpfer des Kunstwerks und er hatte einen Weg gefunden, unter Wasser zu malen. In einer Taucherglocke sitzend fertigte er Skizzen von einem Korallenriff an. Abgesehen von einem kleinen Fisch befindet sich auch ein Totenkopf auf dem Gemälde, genau genommen wurde also doch jemand porträtiert. Naja, wohl eher nicht, denn nicht alles hatte er unter Wasser tatsächlich so gesehen. Mit etwas künstlerischer Freiheit verschönerte er die skizzierte Unterwasserwelt später für sein Ölgemälde.
Mario-Dominik Riedl zeigte uns auch alte, sehr detailreiche Bilder von Pflanzen, die früher oft von Porzellanmaler:innen des kaiserlichen Hofes gezeichnet wurden. Zu dieser Zeit wurden wissenschaftliche Bilder noch ganz anders gemalt als heute, zum Beispiel legte man viel mehr Wert auf die Schönheit der Zeichnungen und verwendete buntere Farben als wir es wahrscheinlich tun würden.
Außerdem gibt es im Museum sogar noch sehr gut erhaltene Tagebücher von Expeditionen. „Die Tagebücher sind viel spannender zu lesen, als die Expeditionsprotokolle“, verrät Mario-Dominik uns. „Die Forscher:innen geben darin eine viel persönlichere Sichtweise auf Ereignisse.“ und er schlägt ein altes Buch mit Skizzen, Zeichnungen und einer unleserlichen Handschrift auf, welches wir interessiert betrachteten. Die Tagebücher einer bestimmten Expedition könnten sogar verflucht sein, denn alle Teilnehmer haben auf ihrer Reise den Tod gefunden und auch andere Leute, die diese Bücher in den Händen hielten, hatten ein eher weniger schönes Ende. Hmmm, vielleicht lieber nicht anfassen, nur zur Sicherheit. Mit den Worten „Ich zeig euch jetzt ein ausgestorbenes Tierchen“ verschwand Mario-Dominik Riedl in einem Gang und kam mit einem Bild von einem paradiesischen Vogel zurück. Einige der auf den früheren Expeditionen gezeichneten Tiere und Pflanzen gibt es heute leider nicht mehr. Sie sind ausgestorben und nur mehr auf den schönen Zeichnungen zu bewundern.
Auch ihr könnt euch über Pflanzen und Tiere aus den kaiserlichen Expeditionen informieren, und zwar in der Sonderausstellung über Brasilien hier im Museum. Übrigens ist die auch echt gut klimatisiert und unser Zufluchtsort vor der Hitze, die sich manchmal in den Büroräumen aufstaut.
Fotoshooting im leeren Museum
Apropos Ausstellung, in der waren wir diese Woche auch, allerdings nicht in der Brasilienausstellung, sondern in unserer eigenen Abteilung in der Steinzeit, um dort Objekte aus den Vitrinen zu nehmen. Keine Sorge, wir haben nicht unseren lange geplanten Venusdiebstahl umgesetzt, sondern mussten zu wissenschaftlichen Zwecken Gegenstände fotografieren. Dafür haben wir natürlich gleich Máté herbestellt, der mit professioneller Ausrüstung ankam und in Ruhe seine Fotos machte, ohne sich vom in der Dunkelheit lauernden Mammut irritieren zu lassen.
Da standen wir also zu viert (mit Helena) im leeren Museum um eine winzige, steinalte Schweinchenfigur herum, die auf einem schwarzen Samttuch lag das wir beide hielten, während sie sich von einem konzentrierten Máté fotografieren ließ. Wer die Figur genauer sehen möchte, kann gern auf dem Instagram-Account @kuratorium_pfahlbauten vorbeischauen oder der Vitrine im Saal 11 einen Besuch abstatten.
Kommen wir nun von einem wenig lebendigen Schweinchen zu noch weniger lebendigen anderen Tierchen. Eine Führung im Büro von Tierpräparator:innen bekommt man normalerweise nicht so oft, aber auch das war Teil von unserem Praktikum. Wir durften also ein Stockwerk unter unserem Büro-Schreibtisch in die Tierpräparation hineinschnuppern, die man ehrlich zugegeben manchmal schon von außen riecht.
Ausstopfen? Nein, aufspannen!
Zuerst erzählte Robert Illek, Leiter der zoologischen Hauptpräparation, dass die Tierpräparation im Jahr zwischen 500 und 700 Tiere geliefert bekommt. Viele Tiere kommen aus dem Schönbrunner Zoo oder werden von Privatpersonen, die beim Autofahren nicht vorsichtig genug waren, hergebracht und dann präpariert.
Übrigens müssen wir uns einen Fehler eingestehen, bei unserem „Gibt es ein Leben nach dem Ausstopfen“-Blog haben wir genau im Titel einen falschen Begriff benutzt. Die Technik des Ausstopfens wird im NHM seit langem nicht mehr praktiziert. Die ersten Tierpräparator:innen waren die des alten Ägyptens. Erst im 16. Jhdt. kam das Ausstopfen auch bei uns auf. Ursprünglich wurden vor allem Enten ausgestopft und als Lockvögel zu Jagdzwecken verwendet. Seit ungefähr 150 Jahren werden andere Methoden verwendet. Die Tiere werden nicht mehr ausgestopft, sondern die Haut wird über ein vorgefertigtes Modell gespannt, das entweder selber hergestellt wurde oder das man aus Katalogen bestellen kann. Ob es da wohl auch Sonderangebote gibt, wie z.B. „Detailgetreue Kuhaugen mit Spezialangebot: 4+1 gratis!“ Von diesen Katalogen bekommt man nicht nur Glasaugen, sondern auch alles, was das Präparationsherz begehrt. Einige davon werden in einer Box aufbewahrt. Zungen, Biberschwänze und allerlei andere Dinge, die wir euch hier lieber ersparen.
Es gibt sogar Wettbewerbe, bei denen die Tiere möglichst realistisch dargestellt werden müssen. Details wie die Augenfarbe können dabei der springende Punkt für eine gute Beurteilung sein. Junge Habichte haben zum Beispiel eher gelbe Augen, mit zunehmendem Alter werden diese allerdings immer oranger. Besonders kompliziert ist es, wenn es kein lebendiges Vorbild für ein Tier gibt. Zum Beispiel, wenn es schon ausgestorben ist, wie im Falle unseres beliebten Babymammuts, dessen Fell von schottischen Hochlandrindern kommt. Weil manche Leute nicht verstehen, dass Mammuts keine Kuscheltiere sind, brechen manchmal Teile ab oder es werden Haare ausgerissen, die vorher mit mühsamer Handarbeit einzeln eingesetzt wurden. Kein Wunder, dass das große Mammut immer so wütend dreinschaut.
Bei der ganzen Arbeit ist es ein Glück, dass die Präparator:innen für andere Aufgaben kleine Helfer haben. Es handelt sich um Käfer, die dafür sorgen, dass das Fleisch von den Knochen gelöst wird. Dafür wird ein totes Tier einfach in die Käferkiste gelegt, der Deckel zugemacht, und wenn man ihn nach ein paar Tagen wieder öffnet, findet man nur noch das Skelett – blitzeblank geputzt und bereit für die Ausstellung.
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