„Für Unfälle wird nicht gehaftet!“, stand auf einem gelben Schild vor einem weißen Zelt, mitten im Hallstätter Hochtal. Dieses Risiko gingen wir ein und durften einen Blick darunter werfen. Es handelte sich nämlich nicht um irgendein Zelt, sondern um eines, das eine Ausgrabungsstelle des Naturhistorischen Museums überdeckte. Und zwar nicht irgendeine, sondern die derzeit laufenden Grabungen am berühmten Gräberfeld von Hallstatt. Es waren alte Hölzer gefunden worden, über die der Grabungleiter Hans Rudorfer uns einiges erzählte, sind derlei Funde doch bei Grabungen an Land sehr selten. Das Ausgraben von wenigen Hölzern dauert in dem lehmigen Boden länger als man glaubt, in jedem Fall mehrere Monate. Bei Regen sammelt sich Wasser in den Gräben, die zwar feucht bleiben müssen (um das Holz zu erhalten), aber vielleicht nicht ganz so nass, dass man extra Tauchausrüstung bräuchte, wenn es keine Wasserpumpe gäbe. Bei wärmerem Wetter werden die Funde mithilfe von Gießkannen feucht gehalten.
Im Ausgrabungszelt befand sich neben viel Werkzeug und Equipment auch eine ganze Kiste voller Gummienten. Irgendjemand habe mal die Idee gehabt, welche mitzubringen und seitdem sei das Tradition geworden, erzählte Hans. Helenas kleiner Sohn, der mit von der Partie war, hatte inzwischen eine tolle Beschäftigung gefunden. Nein, nicht die Gummienten, die wären doch viel zu harmlos, sondern eine Spitzhacke, und zwar eine echte. Gut, dass Mama sich mit Baustellen auskennt und immer gut aufpasst! Was man nicht alles erleben darf, wenn man als Kind von Archäolog:innen aufwächst…
Als nächstes durften wir das Hauptquartier der Archäolog:innen, die in Hallstatt arbeiten besichtigen. Andreas Rausch erzählte uns einiges über die Hallstattzeit und wir durften einen nachgebauten Rucksack anprobieren, mit dem die Menschen früher das Salz transportiert haben. Mit „Menschen“ sind in diesem Fall tatsächlich Leute jeden Alters und Geschlechts gemeint, damals arbeiteten nämlich auch Frauen und Kinder im Bergbau, genau wie die Männer. Die Rolle der Hausfrau, die wir heute oft mit vergangenen Zeiten assoziieren, gab es in Hallstatt so nicht.
Bevor wir an diesem Abend schlafen gingen, beschlossen wir Praktikantinnen, die in einem extra Haus untergebracht waren, noch kurz spazieren zu gehen. Was wir nicht ganz bedacht hatten, war der Regen, der uns überraschte, kaum dass wir losgegangen waren. Wir hielten trotzdem eine Weile durch, kamen allerdings trotz Regenponchos ein bisschen nass in unserem Quartier an. Wir schliefen in Schlafsäcken in einem dachbodenähnlichen Raum des Hauses. Ein bisschen gruselig war der schon, vor allem die Wachsfiguren, die in einer dunklen Ecke standen, aber wir konnten trotzdem schlafen und waren am nächsten Tag bereit für eine Tour im Bergwerk.
„Man steigt nicht im Staub, man ist Teil vom Staub“, zitierte Karina ihre Großmutter, als wir in weißen Berganzügen durch die Stollen gingen. Weil wir genau sieben Praktikant:innen waren, nannten wir uns die sieben Bergzwerge. Wir erfuhren viel über das Leben und den Bergbau in der Bronze- und Hallstattzeit und auch den Heutigen. Uns wurde zum Beispiel erklärt, wie die Stollen im Berg angelegt sind und dass sie durch sogenannte „Bewetterung“ mit frischer Luft versorgt werden müssen.
Wie können aber Archäolog:innen überhaupt Spuren früheren Lebens im Berg finden? Normalerweise schließt der Berg Hohlräume mit der Zeit, aber wenn durch eine Katastrophe wie zum Beispiel Erdrutsche anderes Material (Erde, Holz, Steine usw.) hineingeraten ist, können Archäolog:innen die verfüllten Hohlräume wieder freilegen. Es gibt jedoch auch Stellen, wo klar ist, dass dort früher Menschen am Werk waren, wo man aber heute nicht mehr hin kann, wie uns Andreas Rausch erzählte. Durch die Bewegungen des Berges müssen die Zugänge zu den Fundstellen vom modernen Bergbau regelmäßig saniert und offengehalten werden. Hier sei vor allem die gute Kooperation zwischen Salinen Austria AG, Salzwelten GmbH und NHM Wien zu erwähnen.
Eine andere Schwierigkeit sei es, gewisse Funde zu interpretieren. Weil es zur Zeit der prähistorischen Bergleute noch kein Schriftsystem gab, ist es praktisch unmöglich zu erraten, was beispielsweise mit in Holz eingeritzten Formen gemeint sein könnte. Möglicherweise sind sie auch nur dadurch entstanden, dass jemandem langweilig war und gedankenverloren etwas ins Holz geritzt hat, ohne sich einen Sinn dafür auszudenken.
Wir durften sogar abseits der Tourist:innenpfade einen Blick in die Stollen werfen, in denen derzeit Forschung betrieben wird. Unter anderem sahen wir natürlich die berühmte Hallstatt-Treppe, die in Einzelteile zerlegbar und dadurch auf- und abbaubar war. „Kann sich Ikea noch einiges abschauen“, sagte Andreas Rausch.
Nachdem wir die (moderne) Bergrutsche ausprobieren und mit dem Grubenhunt, einer Art Zug aus dem Berg hinausfahren durften, mussten wir leider wieder unsere Rückreise antreten.
Der lustigste Teil davon war die Fahrt mit dem Boot. Der Schaffner unterhielt sich nämlich nachher noch eine Weile mit Karina, die sich erkundigte, was denn normalerweise so alles von Tourist:innen im Boot vergessen wird. Vielleicht sogar Kinder? Tatsächlich sei einmal ein Schüler vergessen worden, erzählte der Schaffner, allerdings nicht auf dem Boot, sondern in Hallstatt. Ansonsten sei aber auch schon allerlei anderes gefunden worden, zum Beispiel eine Zahnprothese.
Wir kamen alle wohlbehalten in Wien an, glücklicherweise, ohne etwas vergessen zu haben. Zora hat übrigens beschlossen, die Venus doch nicht ohne mich zu stehlen, das müssen wir also ein anderes Mal erledigen. Spätestens da werdet ihr also wieder von uns hören!
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