Wer sich oft im Naturhistorischen Museum aufhält hat schnell das Gefühl, es in- und auswendig zu kennen. Irgendwann glaubt man, jede Ecke und jeden Winkel schon mal gesehen zu haben und auch der brüllende Dinosaurier erschreckt einen nicht mehr. Aber zwischen dem Kuppeldach und Tiefspeicher des Museums gibt es mehr Dinge, als man erwarten würde.
Was viele nicht wissen ist, dass das Museum nicht überall so glänzend sauber und dekoriert ist. Es gibt einige Gänge und Löcher, in denen ist von Goldverzierungen keine Spur. Karina Grömer – Direktorin der Prähistorischen Abteilung hatte uns im Vorfeld für die Spezialführung durch die Innereien des Hauses extra unzählige Male eingetrichtert, uns unbedingt Kleidung anzuziehen, die schmutzig werden durfte (sie selbst kam in einer eleganten, hellblauen Hose und weißen Bluse).
Mit der Taschenlampe durch die Lüftungsschächte
Unsere Tour startete im Innenhof, wo wir gleich in einem dunklen Gang verschwanden, der uns bis zu einem Lüftungsgitter führte, das sich neben dem Museumseingang befand. Das Gebäude wurde zwischen 1871-1881 errichtet, damals gab es noch keine Zentralheizung. Im dicken Mauerwerk befinden sich darum Lüftungsschächte, die vom Keller aus beheizt wurden und in ebensolchen sollten wir bald herumkriechen.
Ab da wurde es nur noch finsterer und schmutziger. Übrigens wurden wir von Michal Magusin (HKLS-Techniker) geführt, der sich dort unten bestens auskennt und dafür sorgte, dass Unfallberichte und Schwierigkeiten mit der Versicherung vermieden wurden. Das erste Loch ließ nicht lange auf sich warten und wurde von einem Haifischmodell bewacht. In den Gängen zwischen dem ganzen Staub stößt man nämlich hin und wieder auf alte Ausstellungsstücke, wie zum Beispiel einer riesigen Zecke und drei Delfinen. Beim ersten Schacht mussten wir durch die kleine Klappe steigen um die Turbinen zu sehen, welche die warme Luft vom Kohleofen durch die Schächte blies. Da wieder alle Praktikant:innen im Haus bei der Führung dabei waren, mussten wir abwechselnd hinunter klettern. Dabei erlaubten sich die oben Wartenden den Spaß uns einzusperren und machten den Deckel kurz mal zu. Dank unserer Handy-Taschenlampen gruselten wir uns wenig und wurden auch gleich wieder rausgelassen. Weiter den Lüftungs-und Heizungsschächten folgend, machten wir auch einen kurzen Zwischenstopp im Kellerabteil, in dem die originalen Expeditionskisten aus der Zeit um die Jahrhundertwende lagern. Ein Raum, wie in einer Zeitkapsel verschlossen, mit vielen alten Kisten. Sollten Michael und Anton mit ihrer Kiste 40 früher fertig werden, gibt es also noch genug Material für sie. Kurz schauten wir auch hinauf ins leere Museum (es war mal wieder Dienstag, unser Lieblingstag, wie ihr wisst). Wir fanden noch einige andere Gitter, unter denen sich Schächte verbergen. Wenn ihr das nächste Mal im Museum seid, dann schaut euch mal genau um. In den Ausstellungsräumen sind nämlich die Ausgänge der Lüftungsschächte sichtbar, die ihr an den goldenen Abdeckungsgittern erkennen könnt.
Der staubigste Gulli aller Zeiten
Für die nächste Station war es gut, dass wir allein im Museum waren. Wir kletterten nämlich in den Schacht unter dem Gullideckel im ersten Stock des Museums. Welcher Gullideckel? Er ist euch sicher nie aufgefallen, aber es gibt einen (sogar einigermaßen schönen) Deckel, ähnlich dem eines Kanals, genau vor der Vitrine mit dem Modell des Expeditionsschiffs Fregatte SMS Novara. Dort unten konnte man nicht einmal aufrecht stehen (außer Auri und Laura, aber selbst die mussten sich etwas krümmen). Ein enger, noch niedrigerer Gang führte in die Tiefen der Museumswände, genau genommen neben die Haupttreppe. Wegen dem vielen Staub durften wir uns nicht zu viel bewegen, sonst wirbelten wir ihn auf, aber dank Corona hat man sich ja angewöhnt, überallhin Masken mitzunehmen, die uns ein bisschen vor dem Feinstaub retten konnten. Selbst in diesem alten, längst ungenutzten Schacht fanden wir noch was. Unser tollster Moment dort unten war, als wir einen Knochen fanden und ihn in heller Aufregung gleich inspizierten. Zum Glück hatten wir unsere Praktikant:innen aus der Anthropologischen Abteilung dabei, Sophie und Marian. Sie konnten uns mit einem Blick sagen, dass es sich nicht um einen Menschenknochen handelte. Beruhigend, irgendwer hatte schon zum Spaß gesagt, das seien sie Überreste des letzten Praktikanten.
Über den Dächern von Wien
Bevor es ganz nach oben auf das Dach des Museums ging, machten wir einen kleinen Zwischenstopp in der oberen Kuppelhalle, welche man vom Museumscafé aus betrachten kann. Wir durften ganz nah ran, auf einen kleinen Balkon direkt in die Kuppel. Von dort aus kann man die Verzierungen und Details der Friese bewundern. Jede Abteilung hat ihren eigenen Fries, welcher die Forschungsdisziplin darstellen soll. Alle außer die „Ethnologie“ befinden sich noch im Museum und forschen in den Räumen hinter der Ausstellung. Schließlich steht auch über dem Haupteingang des Museums in goldenen Buchstaben die kaiserliche Widmung: „Dem Reiche der Natur und seiner Erforschung“. Besonders spannend ist das sogenannte „Darwin-Fries“, unterhalb der Verzierung der Anthropologie, der seine Betrachter:innen mit der Erkenntnis ihrer tierischen Abstammung konfrontieren soll. Er zeigt einen Jungen, der von einem Affen einen Spiegel vorgehalten bekommt und einen weiteren Affen mit einem Buch namens „Darwin. Abstammung des Menschen“. Eine sehr fortschrittliche, fast provokante Ansicht für die damalige Zeit, in der das Fries angefertigt wurde.
Mit den Worten „Niemand kommt dem Geländer zu nahe, niemand setzt sich drauf oder lehnt sich an“ ging es aufs Dach. „Einmal funktioniert’s, nur einmal“, sagten zwei vorbeigehende Männer. Wir testeten es nicht und hörten lieber Karina zu, die uns von der Geschichte der Ringstraße und einzelnen Gebäuden erzählte. Das Dach wäre eigentlich der perfekte Ort für unsere Mittagspausen (es weht immer ein bisschen Wind und die Aussicht ist echt schön). Schade, dass es nicht erlaubt ist, einfach so aufs Dach zu gehen. Unser letztes Ziel für diesen Tag war die große Kuppel, die von außen auf dem Dach des Museums zu sehen ist. In der Kuppel ist innen viel mehr Platz, als man eigentlich denken würde. Über wackelige Metalltreppen konnte man in schwindelerregender Höhe die Spitze der Kuppel erreichen, aber nur die Mutigsten unter uns trauten sich ganz hinauf. Der ganze Ausflug wurde übrigens fotografisch von Máté, dem Praktikanten der Museumsfotografin, begleitet. Ein paar seiner Fotos könnt ihr unter diesem Beitrag in der Slideshow bewundern.
Wir sind glücklicherweise alle heil runtergekommen und haben nun das Museum von wirklich allen Seiten gesehen. Trotzdem wissen wir jetzt, dass es hier noch mehr zu entdecken gibt. Das Naturhistorische Museum ist eben ein historisches Gebäude, das selbst ohne die Ausstellungsstücke eine spannende Geschichte erzählen kann.
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