Schon erstaunlich, wie wichtig man sich plötzlich fühlt, wenn man einen Dauerpassierschein fürs Naturhistorische Museum bekommt. Für einen Monat dürfen wir als Praktikantinnen hier jeden Tag an den einschüchternden Portieren vorbeispazieren, um dann den ganzen Tag mit den ausgestopften Tieren zu kuscheln. Naja, ganz so ist es dann doch nicht.
Im Rahmen eines FFG-Talentepraktikums beschäftigen wir uns mit dem Thema „Ur-Recycling: nachhaltige Ressourcen und Recycling schon in der Urgeschichte“. Dafür haben wir die erste Woche zu acht Objekten aus der Jungsteinzeit im Bereich der Pfahlbauten recherchiert, die zeigen, dass unsere Vorfahr:innen, obwohl sie noch keinen Klimawandel kannten, schon Recycling-Techniken gefunden haben.
Unser erster Tag hat damit begonnen, dass wir die interessantesten Informationen aus Bergen wissenschaftlicher Quellen ausgegraben haben, ganz wie es sich für Archäolog:innen gehört. Nach einigen Stunden Arbeit kam der Moment, an dem sich die Tür in die Freiheit für uns geöffnet hat. Es fühlte sich wie ein Portal an: In dem einen Moment waren wir noch in den Büroräumen voller alter Bücher und einen Schritt später standen wir mitten in einem Museumsraum voller alter Ausstellungsstücke. Wir hatten noch den restlichen Nachmittag Zeit um das Museum auf eigene Faust zu erkunden und Selfies mit Giraffen zu machen.
Zurück in den Büroräumen, die übrigens cooler aussehen, als sie klingen (der Traum-Arbeitsplatz für alle Dark-Academia-Fans), waren wir die nächsten zwei Tage damit beschäftigt, mithilfe der vorher gesammelten Informationen Texte zu den Objekten zu verfassen. Was die Arbeitsatmosphäre hier besonders prägt, ist die leise Popmusik aus dem Radio des Sekretariats, unter die sich hin und wieder Alarmtöne aus der Ausstellung mischen. Auf der Suche nach einem Video zu prähistorischen Netzsenkern wurden wir wie in ein schwarzes Loch in die tiefen Abgründe von YouTube gezogen, um dort auf allerlei ungewöhnlichen Kanälen zu landen.
Während unser Recherchearbeit mussten wir jedoch feststellen, dass wir einer bestimmten Eberzahnkette ihre Geheimnisse nicht ohne Hilfe von Spezialist:innen entlocken können würden. Wie praktisch, dass sich im Museumsgebäude an jeder Ecke zu jedem Thema eine Ansprechperson finden lässt. Also statteten wir der Archäologisch-Zoologischen Sammlung in der Säugetiersammlung der 1. Zoologie einen Besuch ab.
Drei Stockwerke und eine kurze Verirrung in einer mysteriösen Bibliothek einer falschen Abteilung später, kamen wir endlich an – dachten wir. Doch erst nach einem weiteren langen Gang landeten wir am Ziel unserer Suche, nämlich in einer kleinen Kaffeeküche, wo man gemeinsam mit Tierschädeln den Ausblick über die Dächer Wiens genießen kann. Von Eduard Hofbauer und seiner Kollegin bekamen wir dann eine kleine Einführung in die Welt des Knochenpuzzelns.
Dort oben reihen sich Kästen voller Tierknochen aneinander, die die Forscher:innen brauchen, um Tierknochenfunde, wie beispielsweise unsere Eberzahnkette, bestimmen zu können. Man muss sich das so vorstellen: Jahrtausende alte Knochenbruchstücke finden ihren Weg von der Ausgrabung in die Arbeitsräume, oft ohne dass klar ist, von welchem Tier sie stammen. Ab und zu schummelt sich sogar ein Mensch rein.
Es ist nicht immer einfach zu bestimmen, um welches Tier es sich bei den Fundstücken handelt. Da kann es schon mal vorkommen, dass von den Römern importierte Kamele für Verwirrung sorgen. Wenn es sogar der Abteilungschefin nicht gelingt einen Knochen zu bestimmen, landet dieser in der „Einhornkiste“, dem Ort für alle unbestimmbaren Teile. Mit allen gesuchten Informationen zu unserer Kette gingen wir glücklich und zufrieden zurück an unseren Schreibtisch.
Unsere Woche endete relativ unspektakulär mit der Vorbereitung einer Präsentation unserer Rechercheergebnisse zu den jungsteinzeitlichen Recycling-Objekten. Wir waren nämlich nur die Vorhut des gesamten Praktikumsteams, das uns ab nächster Woche hilft, hier ein wenig Staub aufzuwirbeln und neue Ideen mitzubringen.
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