Es ist mal wieder soweit. Ich fahre mit einer Schachtel Knochen in das Dachgeschoss des Naturhistorischen Museums in Wien. Dort befindet sich die Archäozoologische Abteilung des Museums und der Sammlungsleiter und Tierknochen-Experte Dr. Erich Pucher.
Er kennt mich schon, denn er bestimmt die Knochenfunde aus den UNESCO-Welterbestätten bereits seit unseren ersten Monitoringkampagnen. Herr Dr. Pucher ist mit dem Material vertraut. War er doch schon in den 80er Jahren bei der Pfahlbau-Forschung in Österreich beteiligt und kann mir viel über die Knochen erzählen. Wenn ich bei ihm vorbei komme bin ich mindestens eine Stunde von meinem Arbeitsplatz verschwunden und befinde mich gemeinsam mit Herrn Dr. Pucher in den Tiefen der Archäozoologischen Sammlung zwischen Schädelkalotten und Oberschenkelknochen.
Seine Passion für Tierknochen ist ansteckend. Selbst nach Jahrzehnten in diesem Forschungsfeld freut er sich noch über den Knochen eines Hausrindes aus dem Keutschacher See und erklärt mir die Entwicklung der Hausrindzucht von der Urgeschichte bis ins Mittelalter anhand seiner Vergleichsexemplare.
Doch ein Fund aus dem Keutschacher See, den ich ihm aus der Monitoringkampagne des letzten Jahres vorbei brachte, sorgte für besondere Aufregung. Es handelt sich dabei um den Oberarmknochen eines Bären. Ja, am Ende der Jungsteinzeit - ca. 6000 Jahre vor heute - wurden noch Bären im Keutschacher Raum gejagt. Heute sind sie freilich geschützt und die Jagd auf Bären ist streng verboten.
Auch in Oberösterreich wurden Bären gejagt.
Von den Neolithikern des Mondseegebietes wurde auch der Braunbär (Urus arctos) erbeutet. Mit 47 Knochen ist er nicht viel seltener vertreten als das Wildschwein und führt jedenfalls die Fundliste der Wildcarnivoren (Fleischfresser) an. (Pucher und Engl 1997, 72)
Die Knochen aus See am Mondsee konnten mindestens 3 Bären zugeordnet werden und Schnittspuren an den Knochen schließen auch den Verzehr von Bärenfleisch nicht aus. Vor allem wird wohl ihr Fell verarbeitet worden sein, eignet es sich doch hervorragend um die kalten Winter im Alpenraum gut zu überstehen. Selbst die berühmte Gletschermumie, Ötzi, trug Schuhe mit einer Sohle aus Bärenfell. (Reichert 2005, 256, Abb. 1)
Die Pfahlbauern und -bäuerinnen vom Keutschacher See haben jedoch überdurchschnittlich viel gejagt im Vergleich zu anderen neolithischen Siedlungen. Von 844 untersuchten Tierknochen, aus früheren Aufsammlungen durch TaucherInnen, konnten etwas über 70% Wildtieren zugeordnet werden. (Pucher 2003, 263)
Am meisten wurde der Rothirsch gejagt, aber auch Wildschwein, Reh, Biber und Bär nehmen eine relativ bedeutende Stellung im Fundspektrum ein. Auch die Gams und der Elch, sowie Pelztiere wie Luchs, Wildkatze und Fischotter kommen vor. (Pucher 2003, 266) Die Bewohner des Keutschacher Pfahlbaus müssen demnach ausgesprochen gute JägerInnen gewesen sein und die Jagd war ein zentraler Bestandteil ihrer Wirtschaftsstruktur.
Literaturnachweis:
Pucher 2003
Pucher E., Einige Bemerkungen zu den bisherigen übergebenen Knochenaufsammlungen aus dem Keutschacher See; In: Die Pfahlbaustation des Keutschacher Sees, Mitteilungen der Prähistorischen Kommission, Band 51, 2003, 263-284.
Pucher und Engl 1997
Pucher E., Engl K., Studien zur Pfahlbauforschung in Österreich. Materialien I: Die Pfahlbaustation des Mondsees Tierknochenfunde; In: Mitteilungen der prähistorischen Kommission, Band 33, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1997, 1-150.
Reichert 2005
Reichert A., Zur Rekonstruktion der Ötzi-Schuhe; In: Experimentelle Archäologie in Europa. Sonderband 1, 2005, 255-262.
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