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Dreck und Sensationen im Pfahlbau

22. Dezember 2017

Was zur Meldung wird oder gar zur Sensation ist oft nicht das gleiche, wie das, was uns ArchäologInnen besonders wichtig ist. Bei einer Rettungsgrabung in Zürich für das Parkhaus Opera im Jahr 2010 haben wir beispielsweise eine Tür gefunden. Eine wunderschöne, hölzerne, über 5000 Jahre alte Tür. Die zweitälteste der Welt. Ohne Nägel, Leim und Schrauben, in einer einfachen, aber cleveren Steckverbindungskonstruktion gezimmert.

Wir fanden, dass das eine Nachricht wert sein könnte, und gaben kurz darauf um 9 Uhr morgens eine Medienmitteilung heraus. Um 9.10 Uhr klingelte mein Telefon zum ersten Mal – und hörte tagelang nicht mehr auf. ReporterInnen riefen aus dem In- und Ausland an, aus Paris, London, Japan – ja sogar ein Radiosender aus Kanada! Wenig später besuchte uns das chinesische Staatsfernsehen. Ein Kollege aus dem Nachbarkanton war auf der Suche nach Entspannung während der Ferien in Kathmandu und traute seinen Augen nicht, als er in der dortigen Zeitung wieder von der Schweizer Pfahlbau-Archäologie eingeholt wurde, denn auch da war ein Artikel erschienen. Noch Jahre später erhielt ich E-Mails aus den USA und Großbritannien – und Rekonstruktionen dieser Tür stehen heute in Museen diverser Länder. Beispielweise in Stonehenge.

Für mich persönlich war die Tür zwar ein Highlight, aber rein wissenschaftlich betrachtet gab es Wichtigeres auf dieser Grabung. Das Beste und wichtigste für uns ArchäologInnen überhaupt ist aber etwas, was viel schwerer vermittelbar ist: Die große Fläche mit etwa 20000 unansehnlichen Holzpfählen und der viele Dreck! Oder besser gesagt das, was vor 5000 Jahren als Dreck angesehen und entsorgt wurde und das heute noch immer da ist: die organisch erhaltene Kulturschicht. Sie besteht zum größten Teil aus den steinzeitlichen Abfallhaufen sowie aus Fäkalien von Tieren und Menschen.

Inzwischen hat sich gezeigt, was ich damals nur gehofft habe: Die einzelnen Hausgrundrisse ließen sich anhand der Pfähle identifizieren und dank der großen Grabungsfläche von 3000m² erschloss sich ein Ausschnitt eines Dorfes mit 22 Häusern. Und fast jedes einzelne hatte seinen individuellen Abfallhaufen, der noch intakt vorlag. Da wir systematisch Schichtproben genommen hatten, können wir nun einen Blick in die steinzeitlichen Mülleimer der einzelnen Gebäude werfen.

Und darin sind noch heute Getreidereste, Unkräuter, Knochen, Textilien und alles andere erhalten. So können wir die BewohnerInnen der einzelnen Gebäude und Quartiere vergleichen. Die Siedlung Parkhaus Opera ist damit eine der weltweit besten Quellen für archäologische Studien zur steinzeitlichen Sozialstruktur. Demgegenüber ist die Tür für mich wenig revolutionär, denn dass die Menschen in der Steinzeit schon auf die Idee gekommen waren, dass man das Loch in der Wand, durch das man ein- und austrat auch verschließen könnte, das hatte ich mir eigentlich schon gedacht.

Spannend wurde es hingegen noch einmal rein handwerklich, als es darum ging, die Tür korrekt zu bergen. Aus Mainz kamen SpezialistInnen des Römisch-Germanischen Zentralmuseums (RGZM) und begannen, eine Schutzkapsel aus Glasgeflecht, Plastik und synthetischem Gips zu laminieren. Unsere AusgräberInnen bauten einen Holzrahmen. Danach schob ein Bagger eine Metallplatte unter die Tür. Der gesamte Block wurde vom Kran aus dem Parkhaus gehievt und danach gewendet. Das komplette Team hielt den Atem an, aber es lief alles nach Plan. Wir konnten beginnen, die Tür von der Rückseite freizulegen. Es passiert selten, dass man gewissermaßen von unten nach oben ausgräbt.

Schließlich wurde auch für die Rückseite eine Kapsel gebaut. Dadurch war die Tür transportfähig und gelangte in die Konservierungslabors des RGZM in Mainz. Inzwischen ist sie längst wieder in Zürich und war bereits in mehreren Museen. Ich meinerseits habe neuen Dreck, um den ich mich kümmern kann.

Niels Bleicher ist wissenschaftlicher Leiter der Ausgrabung Parkhaus Opéra. Der Archäologe und Dendrochronologe arbeitet im Amt für Städtebau.

Der Pfahlbauten-Blog ist nominiert.

Ein Experte des RGZM konstruiert die Spezialkapsel. (Bild: Unterwasserarchäologie, AfS Stadt Zürich)
Ein Experte des RGZM konstruiert die Spezialkapsel. (Bild: Unterwasserarchäologie, AfS Stadt Zürich)
Die Tür wird geborgen. (Bild: Unterwasserarchäologie, AfS Stadt Zürich)
Die Tür wird geborgen. (Bild: Unterwasserarchäologie, AfS Stadt Zürich)
Dunkle Kulturschicht in hellen Seesedimenten im Profil und Pfähle. Zürich, Parkhaus Opéra. (Bild: Unterwasserarchäologie, AfS Stadt Zürich)
Dunkle Kulturschicht in hellen Seesedimenten im Profil und Pfähle. Zürich, Parkhaus Opéra. (Bild: Unterwasserarchäologie, AfS Stadt Zürich)
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Kommentare

Gespeichert von Edwin Wood am

Sorry to burden you with another question about that door. I am an amateur volunteer working with English Heritage on an experimental archaeology project to reconstruct a Bronze Age round house at Beeston Castle in the North West of England. I am very interested to learn more obout the possible construction of pre historic doors. Your much repeated press release of 2010 indicated a very interesting construction of the Zurich Opera House door. Is there any published information on the detail of this door available for me to access on line? Do you know if the door is on public display at present. I am on vacation within reach of Zurich for the next few weeks and would dearly love to see it.

Thank you for your time,
Edwin Wood

Gespeichert von Carmen Löw am
Dear Edwin,

We will refer this question to Niels Bleicher. It may take another day or two, but you will get an answer.

Best regards,

Carmen

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