Die Ausgrabung in Degersee II verfolgt über die wissenschaftlichen Fragen hinaus das Ziel, junge UnterwasserausgräberInnen aus- und weiterzubilden. In den letzten Jahren hat sich immer wieder herausgestellt, dass für größere, über Wochen andauernde Rettungs- oder Forschungsgrabungen das Personal sehr knapp geworden ist. Denn archäologisches Ausgraben in Seeufersiedlungen ist immer mit außerordentlich komplexen Befunden verbunden, die nur von sehr gut ausgebildeten TaucherInnen und von erfahrenen BinnengewässerarchäologInnen bewältigt werden können.
Die Relikte der stein- und bronzezeitlichen Pfahlbaudörfer liegen ja stets an ehemaligen Seeufern, auf Inseln oder in verlandenden Mooren. An solchen Fundstellen sind die menschlichen Hinterlassenschaften naturgemäß immer in Seeablagerungen eingebettet und von Strömungen, Eis und Wellengang überschliffen. In vielen Fällen liegen die Ruinen mehrerer Dörfer über- oder nebeneinander. Für das unkundige Auge stellen solche Siedlungsrelikte dann chaotische, ungeordnete Ansammlungen von Holz, Steinen, Lehmresten und Siedlungsabfällen dar. Geschulte Ausgräberinnen und Ausgräber rekonstruieren die Abläufe der Einbettung, erkennen Zusammenhänge, „lesen“ archäologische Befunde.
Vor Ort hatten wir eine Jungforscherin und zwei Jungforscher: Helena Seidl da Fonseca studiert nach ihrem Bacchelorabschluss nun im Masterstudium an der Universität Wien und wirkt am „Zeitensprung“ – Projekt in Seewalchen am Attersee mit. Dort konnte sie nach ihrer Grabungstätigkeit an Land und zahlreichen Unterwasserprospektionen mit dem Kuratorium Pfahlbauten auch erstmals an einer Unterwasserausgrabung teilnehmen. Boris Kiefer war bislang vor allem als Grabungstechniker an Land tätig, vorher aber bereits an Oberflächenaufnahmen in Südwestdeutschland und in Italien beteiligt. Peter Handwerker gehört zur Bayrischen Gesellschaft für Unterwasserarchäologie und zum Kreis derer, die an der Roseninsel im Starnbergersee denkmalpflegerisches Monitoring betreiben. Unterwasservermessung, Ausgrabungstechnik, Bergetechniken, Dokumentationsroutinen waren also für keinen der Drei Neuland. Sie erhielten aber am Degersee die Möglichkeit, ihre Kenntnisse gezielt zu vertiefen.
Den organisatorischen Rahmen dieser „Field School“ bildet das „Hemmenhofen Training Center for Inland Water Archaeology“. Das HTCIWA ist eine Kooperation des berufsgenossenschaftlich anerkannten Forschungstaucherausbildungsbetriebes Teraqua und dem Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg, Arbeitsstelle Hemmenhofen. Vor Ort ist neben mir selbst Wolfgang Hohl, der als Grabungstechniker und ausgebildeter Forschungstaucher für die Hemmenhofener Einrichtung tätig ist.
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