Die Besiedlung einer kleinen Insel im Keutschacher See um 4000 vor Christus geht einher mit der Ausbreitung einer bäuerlichen Wirtschaftsweise im Spätneolithikum. Sie kann, aus dem östlichen Raum kommend, langsam in den Westen und den Alpenraum verfolgt werden. Die neolithische Ausbreitung beginnt bereits 10.000 vor Christus im Gebiet um den fruchtbaren Halbmond bei den Flüssen Euphrat und Tigris. 5300/4300 vor Christus erreicht sie auch das Alpenvorland und ist durch urgeschichtliche Pfahlbausiedlungen an Seen und Mooren nachgewiesen.
Die neolithische Ausbreitung (c) ICG UNESCO Palafittes
Woher kamen die Menschen, die an den Seen siedelten?
In Gebieten mit für den Ackerbau günstigen Lössböden, in regenarmen und warmen Klimazonen, entlang eines natürlichen Gewässernetzes finden sich Siedlungen der älteren Linearbandkeramik bereits um 5500-5000 vor Christus in Österreich. Die Siedlungsräume beschränken sich auf Gegenden im Flachland und Flussläufen entlang von Flüssen im Nordosten Österreichs. Hier gelangten nicht nur Technologie, Wissen und Objekte nach Mitteleuropa, es wanderten tatsächlich auch Menschengruppen aus dem anatolischen Raum ein und brachten damit ihr genetisches Material in die Region. Migrierende sesshafte Gruppen trafen hier also auf Jäger- und Sammlergruppen, die – zumindest in Teilen - ein anderes Wirtschaftssystem betrieben. Wie dieses Aufeinandertreffen ablief lässt sich archäologisch kaum nachweisen.
Wer wohnte auf der Insel im Keutschacher See?
Mehr als tausend Jahre später, um 4000 vor Christus, finden sich Siedlungen der Kanzianiberg-Lasinja Gruppe im Südosten Österreichs und Teilen von Slowenien. Auch die Funde aus der Pfahlbausiedlung im Keutschacher See gehören dieser Kulturgruppe an. Darin sind Menschengruppen zusammengefasst, die zur gleichen Zeit im genannten Raum in Siedlungen lebten, dieselbe Wirtschaftsweise ausübten und sehr ähnliche Fundtypen hinterließen. Dazu gehören Keramikgefäße mit einer Art eingestochener Zierreihe und ähnlich gestaltete Werkzeuge aus Stein, Holz, Tierknochen und -geweih, sowie erste Objekte aus Kupfer.
Der Begriff „Kultur“ sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass durch das archäologische Fundmaterial nur eine kleine Momentaufnahme urgeschichtlicher Gesellschaften geschieht. Es ist kaum belegbar, ob es sich bei den definierten Gruppen tatsächlich um zusammengehörige Einheiten, oder gar, wie früher oft missinterpretiert, „Völker“ gehandelt haben mag.
Was uns 6000 Jahre alte Funde verraten
Prähistorische Kulturgruppen sind typologisch zusammengefasste Fundgattungen und werden häufig nach einem berühmten Fundort („Hallstattkultur“) oder einem charakteristischen Kulturelement, wie der Bestattungsweise oder Gefäßform („Urnenfelderkultur“, „Trichterbecherkultur“, ...) benannt.
Die Keramik aus der Fundstelle im Keutschacher See gehört zu zwei Kulturgruppen: die ältere zur Kanzianiberg-Lasinja-Gruppe, die jüngere zur Gruppe der Furchenstichkeramik. Erstere verdankt ihren Namen berühmten Fundorten in Kärnten und Kroatien, die zweite der charakteristischen Verzierung der Gefäße.
Da es sich um eine schriftlose Zeit in der Menschheitsgeschichte handelt, geben Kulturgruppen wenig Auskunft über das eigentliche Verständnis der Menschen untereinander. Ob sich die Menschen dieser Siedlungen als eine Einheit sahen kann man also nicht sagen. Welche Sprachen oder ob sie gar dieselbe Sprache benutzten ebenso wenig.
Wo befindet sich das Welterbefenster?
Willst du dir ein genaueres Bild von den Bewohner:innen der Pfahlbausiedlung machen? Dann schau’ im Keutschacher-Gemeindeamt vorbei und wirf einen Blick in das Welterbefenster. Hier ist ein fast vollständig erhaltener Krug mit wunderschönen, für die Kulturgruppe typischen, Verzierungen ausgestellt. Er ist 6000 Jahre alt und stammt aus der Pfahlbausiedlung und einzigen UNESCO-Welterbestätte Kärntens im Keutschacher See.
Standort:
Gemeindeamt Keutschach am See, Keutschach 1, 9074 Keutschach am See
Öffnungszeiten:
Mo., Di., Do. 07:30-16:00 Uhr
Mi. 07:30-18:00 Uhr
Fr. 07:30-12:00 Uhr
(Stand: Juli 2023; bei einem Besuch kontrollieren Sie bitte nochmals die aktuellen Öffnungszeiten)
Das Welterbefenster ist eine Produktion des Kuratorium Pfahlbauten, dem Nationalen Management des UNESCO-Welterbes „Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen“ in Österreich. Es dient zur kostenfreien Vermittlung des UNESCO-Welterbes und wurde vom Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport, Abt. 14 Kunst und Kultur des Landes Kärnten und der Kulturdirektion Oberösterreich gefördert. Das Vitrinendesign und der Aufbau stammen von Architekt Alexander Kubik, die Technik installierte Thomas Sandri, Screendesign und Programmierung erfolgte durch das Unternehmen lowfidelity – Heavy Industries. Die Funde stellten die Seebesitzerinnen Dr. Gundula Meßner und Anna Maria Meßner, MA, die Gemeinde Keutschach am See, sowie das Landesmuseum Kärnten zur Verfügung.
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