Was ist Archäobotanik?
Bild: Experimentalarchäologisch rekonstruierter neolithischer Einkorn-Acker mit rekonstruierter Unkrautflora. Foto: A. G. Heiss
Als Teil der Umweltarchäologie untersucht die Archäobotanik die Wechselbeziehungen zwischen Mensch und Pflanze anhand von pflanzlichen Überresten aus archäologischen Grabungen. Die Fragestellungen an die Archäobotanik sind häufig mit der Landwirtschafts- und Umweltgeschichte der untersuchten Epoche verbunden:
- Welche Qualität hatten die bebauten Böden, und wie wurden sie bewirtschaftet? Wo befanden sich die Äcker und Gärten?
- Lieferte die landwirtschaftliche Produktion Überschüsse, oder mussten Nahrungsmittel importiert werden?
- Welche Kulturpflanzen wurden in einem Gebiet angebaut?
- Wie war die Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte in der Siedlung organisiert? Wo wurde gedroschen, wo befanden sich die Vorräte? Wo wurde gemahlen, gebacken und gekocht?
Da Landwirtschaft immer in engster Wechselbeziehung zur Umwelt steht, ergeben sich daraus zwangsläufig umweltgeschichtliche Fragestellungen:
- Welche Rückschlüsse auf Böden und Klima lassen sich aus dem Spektrum der Kulturpflanzen und der Ackerbegleitflora ziehen?
- Wie veränderte sich die Bodengüte während einer bestimmten Epoche?
- Wie stark wurden die umgebenden Wälder gerodet?
- Gab es Veränderungen in der Erosion der Böden?
Andere Fragen drehen sich wiederum mehr um die sozialen Aspekte der Pflanzennutzung:
- Was sagt das Kulturpflanzenspektrum über Ernährungsvorlieben oder sozialen Status innerhalb einer Siedlung aus?
- Wurden Luxusgüter importiert?
- Welche Rolle spielten die Nahrungspflanzen im sozialen Gefüge, beispielsweise in rituellen Aktivitäten?
Bild: Experimentalarchäologisch angelegter jungsteinzeitlicher Garten mit Erbsen, Linsen, Flachs und Schlafmohn. Foto: A. G. Heiss
Ganz allgemein ist die Archäobotanik mit sämtlichen Fragestellungen verbunden, in denen pflanzliche Materialien eine Rolle spielen: Kulinarik und Ernährung, Heilpflanzennutzung, Viehfutter, Textilverarbeitung und Färberei, Flechterei, Holzverarbeitung, und vieles mehr – mit mehr oder weniger starken thematischen und methodischen Überschneidungen mit Dendrochronologie, Palynologie (Pollenkunde), Textilkunde und experimenteller Archäologie.
Glücksfall Siedlungsreste in urgeschichtlichen Pfahlbausiedlungen
Dass aber überhaupt Pflanzenreste zur Auswertung zur Verfügung stehen, ist nicht selbstverständlich: denn unter normalen Bedingungen zerfallen Blätter, Früchte, Samen, auch Holz innerhalb weniger Wochen bis Jahre vollständig und dienen als Nahrung für Bakterien, Pilze und Insekten (Destruenten).
Siedlungsreste in Seesedimenten stellen deshalb einen außerordentlichen Glücksfall dar, da unter den sauerstoffarmen (anaeroben) Verhältnissen im Uferschlamm der Großteil zersetzender Organismen nicht wachsen kann. Seeufersiedlungen resultieren deshalb in teils riesigen Mengen organischer Funde, sowohl von Tieren als auch von Pflanzen. Zur Erstellung der Modelle zur Rekonstruktion von Landschaft, Vegetation und Landnutzung stehen daher sehr viel mehr Daten zur Verfügung als in Trockenbodengrabungen.
Allen Arten von Grabungen ist jedoch gemeinsam, dass die Pflanzenreste bei der Bergung aufgrund ihrer geringen Größe normalerweise noch nicht sichtbar sind: abgesehen von einigen seltenen Fällen handelt es sich meist um Objekte im Millimeter- und Halbmillimeterbereich. Ob und wie viele Sämereien in einer Erdprobe enthalten sind, sieht man somit erst nach der Probenaufbereitung durch Flotation oder Nasssieben.
Trotz ihrer Kleinheit zählen solche Pflanzenreste als Pflanzengroßreste (Makroreste)! Ihnen gegenüber stehen die Mikroreste (Pollenkörner, Farn- und Pilzsporen, Mikroalgen), die in der Palynologie (Pollenkunde) als Informationsquelle genutzt werden, und deren Bearbeitung am Mikroskop nur unter sehr hohen Vergrößerungen erfolgen kann.
Bild: Same des Schlafmohns (Papaver somniferum) aus der Grabung Sprungturmgrube (Seewalchen, ÖO). Maßstablänge 1 mm. Foto: A. G. Heiss