Helmut Windl ist Doktor der Archäologie, ehemaliger Leiter des Freilichtmuseums Asparn an der Zaya (heute ein Teil des MAMUZ) und noch vieles mehr. Vor allem aber ist er Experimental-Archäologe und als solcher nicht sehr begeistert von der oft unpräzisen Verwendung, die dieser Begriff immer wieder erfährt. Auch wir selbst haben uns da nicht immer mit Ruhm bekleckert und sind bisweilen schlampig damit umgegangen. Sowohl beim UNESCO-Welterbefest in Keutschach am See als auch dem Welterbe- und Seefest in Seewalchen haben ganz viele Fachleute und auch wir selbst immer mal wieder von experimenteller Archäologie gesprochen, die es streng genommen dabei gar nicht zu sehen gab. Die gab es zwar bei beiden Veranstaltungen im Vorfeld tatsächlich, aber bei den Veranstaltungen selbst eben nicht. Worin genau der Unterschied liegt, warum Windls Kritik berechtigt ist und wie man es besser macht kann, erklären wir in Interview mit einem der ganz Großen der österreichischen Experimental-Archäologie.
CL: Helmut, was genau stört Dich daran, wenn man bei den Vorführungen urgeschichtlicher Handwerkstechniken, von experimenteller Archäologie spricht?
Windl: Es stört mich daran, dass diese Bezeichnung einer wissenschaftlichen Methode für mehr oder weniger gelungene Darstellungen von Handwerk genutzt wird. Das eine hat aber mit dem anderen nur begrenzt etwas zu tun. Die Darstellung ist das Ergebnis, der Ausfluss aus dem Experiment, nicht das Experiment selbst.
CL: Was also sind die notwendigen Kriterien, die erfüllt sein müssen, wenn man den Begriff „Experimentelle Archäologie“ sauber verwenden möchte?
Windl: Der Begriff des Experiments muss streng naturwissenschaftlich verwendet werden. D. h. jedes Experiment muss vorher genau definiert werden, die Durchführung muss dokumentiert werden und die Rahmenbedingungen des Ablaufs und der Ablauf selbst müssen nachvollziehbar sein.
CL: Das bedeutet also, dass es grundsätzlich eine konkrete Fragestellung geben muss, auf die das Experiment eine Antwort liefern soll?
Windl: Ja. Allerdings muss das Ergebnis, welches das Experiment liefert, nicht zwingend die prähistorische Realität wieder geben. Es sind oft mehrere Antworten oder Erklärungen möglich. Wir stellen die Fragen ja aus unserer Zeit heraus und damit geben wir ein Stück weit auch schon das Ergebnis vor.
CL: Wie sollte man das, was bei solchen Festen gemacht wird, besser bezeichnen?
Windl: Wulf Hein hat dafür den Begriff der Archäotechnik entwickelt, der mir sehr gefällt. Dieses Wort trifft das Gemeinte meines Erachtens präzise.
CL: Bist Du heute eigentlich selbst noch als Experimental-Archäologe aktiv?
Windl: Ich bin seit Beginn mit bei den Ergersheimer Experimenten in Mittelfranken mit dabei. Das machen hauptsächlich Rengert Elburg und Wulf Hein. Wir bemühen uns dort vor allem, die Holztechnik der Bandkeramik für uns begreiflich zu machen.
CL: Wie bist Du damals zur Experimental-Archäologie gekommen?
Windl: Das hat schon in meiner Kindheit oder Jugend begonnen mit dem Lesen von Thor Heyerdahl. Auch war mein Geschichtslehrer und Klassenvorstand im BRG Wien 18, Heinrich Pohl, mit Carlo Kromer befreundet. Er schleppte uns regelmäßíg in die Prähistorische Abteilung des Naturhistorischen Museums. Das könnte auch Ursache dafür sein, dass nach mir noch Gerhard Trnka und Falko Daim aus dieser Schule zum Fach kamen. Naja, und mit Eckhard Barth, einem wichtigen Experimentalarchäologen, war ich auch schon vor dem Studium befreundet. Außerdem absolvierte ich ein Studium in der Ethnologie und da gab es recht viele Experimente. Wir haben sogar versucht, ethnologische Ergebnisse in archäologische Befunde zu „übersetzen“, wenn man so will. Anschließend galt es, den archäologischen Befund rück zu übertragen, um zu prüfen, ob man zum ja bereits bekannten ethnologischen Ergebnis kommt. Die Ergebnisse stimmten nicht wirklich überein. Es war aber - trotz einiger Schwächen, die es unbestreitbar gab - ein netter methodischer Ansatz.
CL: Gibt es bestimmte Experimente, an die Du besonders gerne zurück denkst?
Hugo: Meine ersten Experimente sehe ich eigentlich mit all ihren Fehlern noch immer gerne in Erinnerung. Meine Getreidemahl-Geschichte oder mein erster Lochtennenofen, den ich erst lange nach seiner Publikation zu beherrschen gelernt habe. Später kamen auch viele junge Kollegen hinzu, die dann schöne metallurgische Sachen gemacht haben. Vor allem aber sehe ich mit Freude, dass die Lehrveranstaltung "Experimentelle Archäologie". die wir 1982 an der Universität Wien ins Leben gerufen haben, noch immer regelmäßig angeboten wird.
CL: Gerade diese Arbeiten sind auch immer besonders attraktiv bei Festen, denn sie sehen natürlich spektakulär aus. Wir werden uns jedenfalls in Zukunft bemühen, die Demonstrationen der Ergebnisse der Experimente sprachlich sauberer von den Experimenten an sich zu trennen. Versprochen! Und herzlichen Dank für das Interview.
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Korrektur
Ich war von 1976 bis 2005 nicht nur für das FLM in Asparn zuständig, sondern NÖ Landesarchäologe und ab 1982 Lektor für experimentelle Archäologie an der Wiener Uni. Das Museum für Frühgeschichte und die Neugestaltung des Asparner Museums 2002 gehen mit der von mir vervielfachten Sammlung noch auf mein Konto.
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