Eigentlich ist man ja hin und hergerissen - die schönen Bilder, die gute und umfassende Darstellung unserer Arbeit… Aber eben auch ein Tsunami in See, was ja schon aufgrund des Wortes „Tsunami“ Unsinn ist, und dann noch eine Empfehlung, Zufallsfunde nicht zu melden, weil man sonst Gefahr laufe, vor Gericht zu landen! In diese Zwickmühle brachte uns die Sendung „Mystisches Salzkammergut“, die auf ServusTV am 27. und 28.5.2016 ausgestrahlt wurde.
Der Mondsee-Tsunami ist dabei für uns das geringere Übel. Zwar geistert die Geschichte schon lange umher, wurde auch schon öfter überprüft und kann inzwischen sogar wissenschaftlich ausgeschlossen werden. Dass sie attraktiv ist für die Medien, ist aber natürlich auch klar. Es ist nun einmal nicht besonders spannend, dieses wissenschaftlich seriöse „Wir können die Ursache nicht exakt bestimmen“. Die Krux ist natürlich, dass gerade dieser Satz die Sache für Archäologinnen und Archäologen besonders spannend macht. Anders als die Nicht-Fachleute können sie dahinter nämlich jenes farbenprächtige Bild sehen, dass die vielen unterschiedlichen und völlig voneinander unabhängigen Erklärungen zeichnen. Vermitteln lässt sich dieses Bild nur schwer. Zum einen ist es aufgrund der großen Vielfalt sehr aufwendig. Zum anderen aber fürchten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler natürlich, dass es mit einer dieser Optionen genauso geht, wie eben mit dem Mondsee-Tsunami: Wir fürchten, dass das Unwahrscheinliche mehr Raum bekommt als das Wahrscheinliche.
Hinter dem „Wir können die Ursache der Aufgabe der Siedlung nicht exakt bestimmen“ stecken spannende Forschungsaufgaben: Aus den aktuellsten geologischen Untersuchungen wissen wir, dass es immer wieder zu Überflutungen der Uferzonen gekommen ist. Aufgrund der ungenauen zeitlichen Einordnung der Siedlung See am Mondsee (derzeit können wir nur ein Zeitfenster von mehreren hunderten Jahren als Rahmen bestimmen), können diese regelmäßigen Ereignisse aber noch nicht genau in eine Wechselbeziehung zwischen Nutzung und Aufgabe des Pfahlbaudorfes gebracht werden. Es scheint jedoch derzeit so, als ob die Siedlerinnen und Siedler es bis zu einem gewissen Grad gelernt hatten, mit diesen Schwankungen und Überflutungen im Alltag umzugehen. Das regelmäßige „Aqua Alta“ in Venedig ist ein gutes Beispiel für eine gewisse Gelassenheit gegenüber Hochwasserereignissen. Wobei man es vielleicht auch irgendwann einmal satt hat, dauernd nasse Füße zu haben und sich ein trockeneres Plätzchen sucht.
Ein dauerhaftes Ansteigen des Seespiegels ist natürlich ein zwingender Grund. Schon seit 1968 gibt es eine Untersuchung, die die Aufgabe des Pfahlbaudorfes See am Mondsee mit einem Bergsturz im Ausflussbereich unweit der Siedlung in Verbindung bringt. Durch eine Mure wurde die Seeache, die Verbindung vom Mondsee zum Attersee, verlegt und damit die Abflussschwelle um ca. 3m erhöht. Allerdings kann auch dieses, viel weniger spektakuläre Katastrophenereignis nicht genau zeitlich eingeordnet werden, und fand vielleicht sogar erst nach einer Aufgabe des Dorfes statt.
Denn es gibt aber auch tausend andere Möglichkeiten, die vielleicht mehr in gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Veränderungen zu suchen sind. Wir haben in unserem Fall auch dafür noch keine guten Anhaltspunkte, wir dürfen sie aber - entgegen einer „Tsunami-Katastrophe“ - nicht gänzlich ausschließen, weil wir es eben nicht genau wissen. Solche Möglichkeiten gehören diskutiert und ihre Wahrscheinlichkeit seriös abgeschätzt. Ein paar denkbare Szenarien könnten z. B. sein: Ein schlichtes Weiterziehen, weil es woanders das bessere Land oder die besseren Tauschpartner gab. Es könnten sehr wohl auch Krankheiten oder Hungersnot gewesen sein, die fast alle Menschen der Siedlung dahingerafft hat. Die wenigen Überlebenden hätten die Siedlung alleine nicht länger erhalten können. Klar könnte man sich auch vorstellen, dass „die Bösen“ aus einer der Nachbarsiedlungen gekommen sind und die Menschen aus See vertrieben haben, weil sie scharf auf deren Ackerflächen waren. Von den drei genannten Möglichkeiten ist die letzte die Unwahrscheinlichste, aber eben auch die, mit der man die spannendste Geschichte erzählen kann.
Eine mitreißendere Story als einen Tsunami im Mondsee kann man sich kaum vorstellen. Die Theorie kam einige Jahre nach dem fürchterlichen Tsunami von 2004 auf, der bei allen, die das irgendwie verfolgt haben, heftige Emotionen auslöste. Viele kannten die betroffenen Gebiete in Südostasien und rund um den Indischen Ozean aus dem Urlaub, deswegen war die Katastrophe auch viel „näher“ als man das oft durch reine Medienberichte wahrnimmt. Die menschlichen Tragödien und Zerstörungen, die damals passierten, vielfach von den Menschen auf Handykameras selbst dokumentiert, haben deutliche Spuren hinterlassen. Diese Bilder sind seit 2004 untrennbar mit dem Wort verbunden, das bei uns seither eben nicht nur einen Sachverhalt schildert, sondern gleich noch diese einprägsamen Geschichten und Bilder mit transportiert. Mächtige Bilder, die man sich zwar auch für eine urgeschichtliche Katastrophe vorstellen könnte, die es aber bei der Pfahlbaustation See am Mondsee nie gegeben hat.
Schlimmer aber als der Mondsee-Tsunami, den es wenn, dann nur in einer vollkommen anderen Zeit als unsere Pfahlbauten, gegeben hat, ist die in einem Interview zum Ausdruck gebrachte Empfehlung, Zufallsfunde nicht zu melden. Wir wollen hier nicht auf die Hintergründe dieses speziellen Falles eingehen, aber es ist nun einmal so, dass nicht alle „Zufallsfunde“ aus Zufall entdeckt werden.
Es gibt auch in Österreich nicht wenige Kriminelle, die mit Detektoren losziehen, um Metallobjekte im Boden zu finden, sie irgendwie und eben nicht sachgerecht auszugraben, damit alle wichtigen Umfeld-Informationen vernichten und das Zeug am Ende verkaufen, um sich daran zu bereichern. Das bedeutet nicht, dass jeder Detektorgänger ein Krimineller ist. Wir sind der Auffassung, dass es eher wenige sind, die so agieren. Diese wenigen aber richten einen enormen Schaden an. Nicht nur an unserem gemeinsamen archäologischen Erbe übrigens, das uns zumindest ideell allen gehört und deshalb nicht dazu dienen kann, dass sich einzelne an den Objekten bereichern und dabei wissenschaftlich relevante Daten vernichten. Ein massiver Schaden entsteht auch am Image derjenigen, die sich dafür interessieren, bei archäologischen Ausgrabungen mitzumachen. Das Verhalten der Kriminellen erzeugt einen Generalverdacht, unter den dann in der Folge völlig zu Unrecht und viel zu oft die sich freundlich anbietenden, helfenden Hände fallen.
Dass es aufgrund der geltenden Gesetzeslage in bestimmten Bereichen gar nicht, in anderen nur schwer umsetzbar ist, Interessierten ein Mitwirken zu ermöglichen, sehen wir hier im Kuratorium sehr genau. Das ist für uns derzeit die größte Herausforderung bei der Entwicklung von Citizen Science-Programmen. Wir haben noch nicht für alles eine Lösung gefunden und sind uns natürlich bewusst, dass diese Rahmenbedingungen ein vertrauensvolles Miteinander belasten.
Trotzdem kann es nicht angehen, dass in einer Dokumentation tatsächlich unwidersprochen empfohlen werden darf, Funde nicht zu melden, weil man sonst mit Ärger rechnen müsse. Was, wenn sich nun der Baggerfahrer tatsächlich nicht mehr meldet, der da etwas beim Aushub der Baugrube bemerkt? Was, wenn man die Sammlung vom Opa auf dem Dachboden nun doch lieber rasch im Müll entsorgt? Das darf nicht sein! Wir hoffen sehr, dass verunsicherte Finderinnen und Finder unser Angebot nutzen, bevor sie so etwas tun und sich an uns wenden. Wir werden sie gerne beraten. Hier nochmal der Kontakt: info@pfahlbauten.at.
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