Als wir damals den Call for Sessions der Österreichischen Citizen Science Konferenz lasen, hatten wir Zweifel, ob wir dort einen Vorschlag für eine Session ausschließlich zur Archäologie einreichen sollten. Schließlich ist das kein allzu großes Fach. Joris Coolen von ArchaeoPublica, mit dem wir die Session gemeinsam planten, war im Vorjahr auf der Konferenz gewesen. Er war damals einer von nur drei Archäologen, deshalb haben wir uns entschieden, uns lieber an die gesamten Altertumswissenschaften zu wenden.
Das wäre allerdings gar nicht nötig gewesen, denn am Ende haben wir mit insgesamt acht Vorträgen ein stattliches Programm fast ausschließlich aus der Archäologie zusammenbekommen und eine der größten Sessions der Tagung gestellt. Unsere Vortragenden kamen aus dem In- und Ausland, waren WissenschaftlerInnen, die mit Citizen Scientists arbeiten, und Citizen Scientists. Letztere sind selbst bei Tagungen, die sich mit dem Thema auseinandersetzen, aber noch immer recht gering vertreten und so bleibt es häufig doch meist bei einem Reden über Citizen Scientists als dass man mit ihnen reden kann. Sollten wir auch im nächsten Jahr wieder einreichen, werden wir uns bemühen, noch gezielter solche Forschenden einzuladen.
Den Anfang der Vorträge machte Dorothea Talaa. Sie berichtete von der Einbindung von "Laien" in ihre archäologischen Projekte. Sie betonte dabei unter anderem, dass es in der Verantwortung des Grabungsleiters bzw. der Grabungsleiterin liegt, die Talente und Fähigkeiten der Citizen Scientists zu erkennen und richtig einzusetzen. Der Vortrag war spannend, nur mit dem Begriff „Laien“ konnten wir natürlich nicht. Wir mögen das Wort nicht so gerne, weil es das ExpertInnenwissen der Citizen Scientists unterschlägt.
Mike Bader vom Netzwerk Geschichte Österreich (NGÖ) berichtete von einem Konfliktfall mit dem Bundesdenkmalamt, der eindrücklich zeigte, wie furchbar schief es auch laufen kann. Oft liegt das vor allem an fehlendem Austausch miteinander. „Beim Reden kommen die Leut z`samm“, betonte Mike schließlich, als er von einem positiven Beispiel erzählte. Über dieses haben wir uns besonders gefreut, denn es betraf die Zusammenarbeit des NGÖ mit dem Kuratorium Pfahlbauten bei der Unterwasser-Grabung von Zeitensprung in Weyregg 2016.
Sehr schön war auch der Beitrag von Tonnie van de Rijdt, die aus den Niederlanden zu uns gekommen war. Sie zeigte, wie dort die „Amateur-Archäologen“ eine unverzichtbare Stütze für die Archäologie sind. Augen und Ohren in der Region seien sie für die ArchäologInnen. In Holland funktioniert die Zusammenarbeit auf Augenhöhe wie es scheint recht gut.
Anschließend berichtete Karin Fischer-Ausserer von der Einbindung von HelferInnen in die Arbeit der Stadtarchäologie Wien, die seit den 1990er Jahren stattfindet. Dies sei damals nötig geworden, weil es eine unglaubliche Menge an Fundmaterial gegeben habe, berichtete Fischer-Ausserer. Siegrid Strohschneider-Laue hatte dazu eine andere Meinung, wie sie mich über Twitter wissen ließ. Ich hatte während der Tagung nämlich einige Kernsätze der Vortragenden getwittert. Darum bemühe ich mich immer, denn so können auch Leute Anteil nehmen, die keine Möglichkeit haben, die Tagung zu besuchen. Beim Vortrag von Karin Fischer-Ausserer wiedersprach also Siegrid Strohschneider-Laue online und berichtete, dass es Finanznot gewesen sei, die das Programm ursprünglich initiiert habe. Sie schickte einen Link zu einer ihrer Publikationen darüber.
Es war eine nette Erfahrung, wieder einmal – und das erste Mal aus Österreich – einen Input von außen in die laufende Tagung hinein zu bekommen. Ich wünsche mir in solchen Momenten immer eine Social Media Wall im Saal, die die ZuhörerInnen während des Vortrags darüber informiert, wie das gesagte verstanden, aufgenommen und weiterverbreitet wird. Es würde die Diskussion am Ende des Vortrages sehr bereichern. Es kämen damit natürlich auch andere Inputs herein. Sätze wie "wenn #Archäologie #Sondengänger als Helfer ansehen soll, dann sollte die #Polizei Einbrecher als Hilfspersonal andenken" würden wir dann auch zu sehen bekommen. Das ließe die kleine Revoluzzer-Blase rasch platzen, in der man sich auf solchen Tagungen unbemerkt bewegt. Außerdem hätte man die Chance, gemeinsam aus konkretem Anlass zu überlegen, wie man mit solchen Meinungen umgeht.
Nach der Pause hielt Raimund Karl einen seiner pointierten Vorträge. Ich bin mit Raimund nicht immer einer Meinung, aber ich finde die Art und Weise wie er spricht einfach großartig. Er tigert über die Bühne und pflanzt den ZuhörerInnen knallige Bilder in die Köpfe. Manche sind sehr gewagt und arg überzeichnet, keine Frage. Aber genau damit bildet er oft einen wichtigen Gegenpol zu jenen Bildern, die bereits in den Köpfen vorhanden sind und mindestens genauso überzeichnet und gewagt. Karl stellte uns den Archaeology Skills Passport vor, in den die Qualifikationen von AusgräberInnen eingetragen werden. Ein solches Instrument dürfte Citizen Scientists auf Ausgrabungen das Leben sehr erleichtern und manche Frustration verhindern. Auch für GrabungsleiterInnen ist es praktisch zu wissen, wen man wo einsetzen kann, auch wenn es Leute sind, mit denen man vorher noch nicht zusammengearbeitet hat.
Mit Gerhard Fritz vom Verein Sonn-Wend-Stein sprach der zweite Citizen Scientist in unserer Session. Ich fand es sehr bewegend, wie er von den Vorurteilen berichtete, die ihm anfangs von den WissenschaftlerInnen entgegenschlugen. Danach berichtete Peter Scherrer von der Zeitschrift Römisches Österreich über viele Jahre gemeinsamen Publizierens.
Zu meinem Bedauern mussten wir auf den Vortrag von Jochim Weise verzichten, der aus privaten Gründen kurzfristig absagen musste. Ich habe Jochim schon zweimal bei Tagungen der DGUF hören dürfen und bin mir sicher, dass wir aus seinem Beitrag „Sondengänger, vom Raubgräber Image zum geehrten Ehrenamt“ viele Anregungen für Österreich hätten gewinnen können.
Den Abschluss bildeten Cyril Dworsky und ich mit einer Darlegung der aktuellen Einbindungsarten von Citizen Scientists in die Tätigkeiten im Kuratorium Pfahlbauten. Für die Diskussion hatten wir uns etwas Besonderes einfallen lassen: Wir haben nach den Vorträgen nur Verständnisfragen zugelassen und die ZuhörerInnen darum gebeten, Dinge, die sie diskutieren wollen, auf Präsentationskärtchen zu notieren. Es waren spannende Punkte dabei, an denen wir bei der nächsten Tagung weiterarbeiten könnten. Ein wichtiger Themenkreis war der Respektvolle Umgang miteinander, aber auch die Ausbildung spielte eine Rolle.
Mir wurde dabei wieder klar, dass zwischen den unterschiedlichen Arten von Interaktion mit der Öffentlichkeit noch immer kaum unterschieden wird. Dabei verlangen eine Einbindung von Citizen Scientists in die Forschung, der Umgang mit JournalistInnen und die Konzeption von Vermittlungsprogrammen ganz unterschiedliche Fähigkeiten und Fachkenntnisse. Inhaltlich stehen sich diese Dinge ähnlich nahe, wie die Archäologie der Paläontologie. Es wundert mich immer wieder, dass dafür so wenig Bewusstsein ist - insbesondere in einem Fach, in dem man so intensiv diskutiert, wer was genau können muss, damit aus Engagement kein Schaden erwächst. Die Schäden, die durch unsachgemäße Kommunikation seitens Archäologie und Denkmalpflege dem Bild der Archäologie in der Öffentlichkeit, aber auch viel konkreter den Denkmälern selbst zugefügt werden, bleiben jedoch unbemerkt. Schon um solche Dinge zu erkennen und häufiger mit dem Blickwinkel anderer konfrontiert zu werden, lohnt sich die Zusammenarbeit mit Citizen Scientists. Persönlich habe ich davon bereits enorm profitiert, nicht zuletzt bei der Österreichischen Citizen Science Tagung 2017.
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