Meine Citizen Sience Story beginnt mit dem Jahr 2000 im Oberen Mühlviertel zwischen Böhmerwald und Donautal. Damals war die Region tatsächlich noch ein weißer Fleck auf der prähistorischen Landkarte, absolutes Neuland, abenteuerlich. Die Leute aus den umliegenden Dörfern hielten mich für einen Fährtensucher auf der Spur des Marderhundes, welcher sich von Bayern kommend ins Donautal geflüchtet haben sollte, um einen Hühnerstall nach dem andern auszuräumen, also der Marderhund. Ein landwirtschaftlicher Kontrolleur sollte ich sein, im Kontakt mit den Flugzeugen, die auf der Suche nach den verbotenen Kartoffelfeuern zeitweise über den Feldern kreisten. Nachdem ich mich genauer vorgestellt hatte, war aber das Vertrauen in meine Tätigkeit als sogenannter „Steineklauber“ schnell hergestellt. Ich bekam sogar die Handynummer eines Jägers angeboten, sollte ich in eines seiner damals noch erlaubten Fangeisen am Acker geraten, er würde sofort zur Hilfe herbeieilen. Mein Haselnussstecken war da aber eine gute Schutz- und Warnvorrichtung.
Seit dieser Anfangszeit zählt man mittlerweile zehn Siedlungsflächen der vor 5000 Jahren hier ansässigen Chamer Kultur, sowie sehr bedeutende Fundflächen der Mittelsteinzeit und Jüngeren Altsteinzeit. Frei nach dem Motto „Die Donau war die prähistorische Autobahn“ entwickelten sich die Äcker an der Schlögener Schlinge zu meinem bevorzugten Fundgebiet. Von der ersten Minute an hatte die Einbindung wissenschaftlicher Institutionen für mich Priorität. Dies war zuerst etwas schwierig. Ich hatte anfangs wenig Funde und jedoch viel Zuversicht, wusste zudem überhaupt nicht, wie sich die Welt der ArchäologInnen so dreht. Mein jungsteinzeitliches Wissen stand auch noch in den Kinderschuhen, Prähistoriker in Oberösterreich waren für mich nicht ortbar. Ratlos versuchte ich, historische ArchäologInnen von meinen am Acker gefundenen Steinen und Scherben jenseits des wässrigen Limes zu begeistern, das machte beide Seiten nicht ausgesprochen glücklich. Als Kultur-Hausierer im wahrsten Sinne des Wortes probierte ich es auch vergebens in der Wiener Hauptstadt. Eindeutig war meine „ganz nette Sammlung“ zu wenig und ich beschloss, mich geduldig und beharrlich für einige Jahre auf die Artefakt- und Datenvermehrung sowie meine Fundmeldungen an das Bundesdenkmalamt zu konzentrieren.
Nach etlichen Jahren hatte ich ein wirklich umfangreiches Keramik- und Steininventar. Es stellte sich die Frage, endlich was damit zu machen oder es überhaupt zu belassen mit der Jungsteinzeit - meine alte Liebe war ja die Altsteinzeit. Ich entschied mich, aufs Ganze zu gehen und dabei gleich in der Region zu bleiben mit einer großen Ausstellung in der gerade neu errichteten Bezirkshauptmannschaft. Daraus entwickelte sich alsbald ein Netzwerk mit Gemeinden sowie öffentlichen und privaten Unterstützern. Der Kulturverein Landschaftsschule Donauschlinge mit seiner großen Erfahrung bei Wald- und Kräuterpädagogik integrierte meine Anliegen mit einer eigenen Steinzeitschiene, intern und durchaus im guten Sinne „Steinzeitpädagogik“ genannt. Inhaltlich sehr auf wissenschaftliche Zusammenarbeit ausgerichtet entwickelten wir parallel dazu eine Bildungsplattform mit Öffentlichkeitsarbeit und „erlebbarer Archäologie“, speziell für den schulischen Bereich. Wir organisieren seither archäologische Grabungen, teils mit gezielter Bürgereinbindung, die wir mit einem Team von Archeonova, das sind die Archäologen Martina Reitberger-Klimesch und Wolfgang Klimesch, zusammen durchführen.
Daneben unterhalten wir ein privates Museum und bieten Steinzeitkurse für Schulklassen und Feriengruppen an. Im Rahmen unseres Engagements unterstützen wir eine Initiative zur Bewahrung zahlreicher bedrohter prähistorischer Stätten, zumeist Felsbilder in Indien
Erwähnenswert ist auch das große Steinzeitfest von 2012 in Niederkappel, wobei ArchäologInnen und eingeschulte TeilnehmerInnen ein breites Spektrum von Tätigkeiten der Jungsteinzeit vorführten. Daraus entwickelten sich weitere Kontakte zu vielen ArchäologInnen und zahlreichen Forschungseinrichtungen. Jüngstes Beispiel dieser Zusammenarbeit ist die wissenschaftliche Analyse eines seltenen Jadebeils, das von einem Team von Wissenschaftlern der Universität Wien, Gerhard Trnka, des Universalmuseum Joanneum in Graz, Walter Postl und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), Michael Brandl, analysiert und zugeordnet wurde.
Konkrete, teils parallel laufende, Forschungsprojekte mit WissenschaftlerInnen der Prähistorie und Mineralogie / Geologie sind schon seit Anfang 2014 im Gange. Schwerpunkt ist dabei die Materialanalyse und – herkunft der Steinrohstoffe. Geplant sind die Aufarbeitung der sehr qualitätvollen Keramik aus einer unserer letzten Grabungen als typenchronologischer Lehrfund und die wissenschaftliche Inventarisierung unserer Sammlungen nach einem eigens dafür ausgearbeiteten Konzept.
Es erstaunt mich noch immer, wie sehr die Erforschung der Steinzeit der Identität unserer Region auf verschiedensten Ebenen eine neue Prägung verleiht. Ich bin überzeugt dass auch die „Magie“ und „Autorität“ der Landschaft dabei mitspielt: das mächtige Naturwunder „Schlögener Schlinge“ welches nun sein lange verborgenes Geheimnis freigibt.
Hinter all dem steht viel Engagement eines Netzwerks von überzeugten Personen, Vereinen und öffentlichen Institutionen. Auch diverse Stresssituationen und Unangenehmes sind natürlich zu meistern, wie überall, wo eine große Diversität von Kooperation zum Einsatz kommt. Diversität braucht Geduld und erfordert oft lange Aushandlungsprozesse, die sich aber lohnen und den schnelleren autoritären Prozessen in punkto Nachhaltigkeit überlegen sind.
Eines möchte ich betonen: Es ist notwendig, als Citizen Scientist die bestehenden Strukturen und Institutionen zu respektieren, die die Verantwortung tragen. Das erweist sich bei guter Zusammenarbeit bald als Erfolgskonzept. Es ist Grundlage für ein fundamentales Vertrauen, ohne welches diese Kooperation bestimmt nicht möglich wäre.
Bei all dem sehe ich deutlich einen Aufbruch alter Strukturen bezüglich der Zusammenarbeit mit Citizen Scientists. Manche Vorgaben und Richtlinien erlebe ich dabei teils noch im alten Korsett, welches oftmals an den falschen Stellen etwas drückt. Letztendlich bin ich jedoch überzeugt, dass wir an einem Punkt angelangt sind, wo alle Mitwirkenden ihre Erwartungen, Vorschläge und Befürchtungen in einem angemessenen Rahmen zur Diskussion stellen können.
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