Vor ca. 5.700 Jahren lebten die ersten Dorfgemeinschaften an den Seeufersiedlungen des Salzkammergutes und stellten neben einfachem Kochgeschirr auch verzierten Trinkgefäße her. Der mit typischen Mustern verzierte Henkelbecher ist eine Leitform der jungsteinzeitlichen Mondsee-Gruppe, die im 4. Jahrtausend v. Chr. vom Salzkammergut bis nach Niederösterreich und die Obersteiermark reichte.
Wir wissen noch nicht genau, was damals aus den Mondsee-Krügen wirklich getrunken wurde: Wasser, Bier, Most oder etwas ganz anderes. Da das Bier schon erfunden war, halten wir es für sehr wahrscheinlich, dass auch Bier aus diesen besonderen Trinkgefäßen getrunken wurde.
Bier kennen die meisten von uns als eine Art Alltagsgetränk. Dabei ist die Geschichte des Bieres eine spannende und eng mit der Sesshaftwerdung des Menschen verbunden. Bier aus Getreide ist als leicht alkoholisches Getränk eine Quelle für Kalorien und ein sicheres Lebensmittel, da es relativ keimarm ist. Aber auch die Lust der Menschen auf Rausch und Gemeinschaftserlebnis darf nicht unterschätzt werden. Die Getreidenutzung war natürlich eine Grundlage für die Herstellung von Bier.
Es gibt Hinweise auf eine sehr frühe Bierproduktion in einer jüngst entdeckten Höhle in Israel. Forscherinnen und Forscher gehen davon aus, dass dort ein Bier-ähnliches Getränk produziert wurde, das bei Festen gereicht wurde (Natufien-Kultur ca. 12.500 bis 10.000 v. Chr.). Es gilt als sehr wahrscheinlich, dass bereits vor 9.000 v. Chr. in Göbelki Tepe in der heutigen Südtürkei Menschen zusammen kamen, um unter anderem Bier zu brauen. In Vorderasien hat man in Tepe Gawra (Nordirak) ein Stempelsiegel von 4.800-4.200 v. Chr. mit Personen gefunden, die mit Trinkhalmen aus einem großen Gefäß wahrscheinlich Bier trinken. In den frühesten Schriftquellen der Menschen wurden z.B. in Keilschriften der Sumerer verschiedene Biersorten erwähnt (um 3.000 v.Chr.), aber auch im Gilgamesch-Epos aus der Bronzezeit wird das Bier erwähnt.
Das Bier war also zur Zeit der „Pfahlbauer“ schon längst erfunden und wurde höchstwahrscheinlich auch von den Bewohnerinnen und Bewohnern der Seeufersiedlungen um die Alpen gebraut. Die in diesen Siedlungen gefundenen, reich verzierten Henkelkrüge dienten sicher zum Trinken von besonderen Getränken bei besonderen Zusammenkünften.
Die Idee, diese schönen Henkelkrüge nach zu töpfern, kam beim Trinken eines Pfahlbaubieres der Brauerei Kaltenböck aus Palmsdorf am Attersee. Diese Privatbrauerei braut seit 2016 ein spezielles Bier, das sich dem Geschmack dieses Urbieres annähern will.
Die hier vorgestellten Reproduktionen sind das Ergebnis vieler Versuche und der Arbeit zahlreicher Partnerinnen und Partner. Die Pfahlbaukrüge sind nach einem originalen Henkelkrug angefertigt, der in der Pfahlbausiedlung See am Mondsee gefunden wurde. Das Österreichische Pfahlbaumuseum in Mondsee hatte das von ihnen oft „Mondseekrug“ genannte Gefäß, das zu den Hauptstücken der stattlichen Sammlung des Hauses gehört, als Vorlage zur Verfügung gestellt.
Das offene Technologielabor OTELO Vöcklabruck scannte den Krug, fertigte aus den Daten ein 3D-Modell und schließlich einen 3D-Druck Anhand des 3D-Drucks konnte der Modellbauer Peter Unterweissacher eine Gussform herstellen, durch welche unser vierter Hauptpartner, die Lebenshilfe Zell am See, in der Lage war, den „Mondseekrug“ in seiner originalen Form nach zu töpfern.
Das Projekt „Pfahlbaukrug und Pfahlbaubier“, in dem wir als Kuratorium Pfahlbauten die wissenschaftliche Beratung und die Koordinierung übernehmen durften, war für uns ein sehr besonderes. In diesem Projekt sind ganz unterschiedliche Menschen miteinander in Verbindung gebracht worden – über Seen, Orte, Bundeslandgrenzen und vieles mehr hinweg - durch aktive Teilhabe am UNESCO-Welterbe der prähistorischen Pfahlbauten um die Alpen.
Wer gerne selbst einen Pfahlbaukrug und ein Pfahlbaubier erstehen möchte, kann dies ab Sommer 2019 bei unseren Projektpartnerinnen und -partnern, der Privatbrauerei Kaltenböck, dem Österreichischen Pfahlbaumuseum in Mondsee und bei der Lebenshilfewerkstätte Zell am See, tun.
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