Sean Connery in Goldfinger konnte es. Arnold Schwarzenegger in True Lies konnte es auch. Wenn man einen dezenten Knitterlook akzeptiert und auch keinen Wert auf die perfekt sitzende Frisur legt, dann kann man natürlich auch einen Smoking oder vielleicht sogar ein geeignetes Ballkleid unter einen Trockentauchanzug anziehen. So gesehen wäre es schon möglich zu einer der unter Wasser gelegenen prähistorischen Siedlungen, die Teil des UNESCO-Welterbes sind, in den Attersee, Mondsee oder Keutschacher See zu tauchen. Und anschließend gleich einen Walzer auf das Parkett zu legen. Sollte man vielleicht einmal ausprobieren.
Wirklich praktikabel ist das aber nicht. Schon alleine, weil die Pfahlbauten in Österreich alle in Tauchverbotszonen liegen. Das ist eine schwierige Sache, denn es ist schon problematisch, wenn die Menschen keinen direkten Zugang zu ihrem globalen, gemeinsamen Kulturerbe haben. Nicht gerade das, was man sich von einem Welterbe erhofft. Diese Schutzzonen haben natürlich gute Gründe, denn diese Art von archäologischen Fundstellen ist sehr empfindlich und ein einzelner unbedachter Flossenschlag kann schon einiges an Zerstörung anrichten.
Wie bringen wir jetzt Menschen und Welterbe zusammen? Oft habe ich das Gefühl, dass wir in der Debatte um unser kulturelles Erbe sehr schnell viel zu bierernst sind und vergessen, wie viel schöne Dinge damit verknüpft sein können. Was für ein Potential das Anknüpfen an die spannendsten Ausprägungen unseres Menschseins haben kann. Das bedeutet nicht, dass man nicht sorgsam und reflektiert mit diesem Thema umgehen soll. Es braucht das Hinterfragen von traditionellen Sichtweisen und das Spielen mit neuen Zugängen.
Unser Pfahlbau-Bierdeckel wurde auch aus einer spielerischen Idee geboren. Wenn man die Menschen schon nicht zu den Pfahlbauten unter Wasser bringen kann, warum kann man die Pfahlbauten nicht ins nächst gelegene Wasser zu den Menschen bringen? Kann ein kleines Stück Welterbe, ein kleines Stück Archäologie theoretisch in jedem Wasserglas versteckt werden?
Für alle, die heute Abend nicht am 4. Wiener Ball der Wissenschaften sein können, hier eine kurze Erklärung, worum es überhaupt geht: sehr erfreulicher Weise haben wir von den VeranstalterInnen des Balls die Chance bekommen uns an der diesjährigen Tischdekoration zu beteiligen. Wir haben uns dafür spezielle Augmented Reality Bierdeckel einfallen lassen. Mit Hilfe des eigenen Smartphones - derzeit funktioniert die Sache mit relativ modernen Geräten der letzten zwei Jahre - kann man sich eine kleine, dreidimensionale „Pfahlbauszene“ in ein auf dem Bierdeckel platziertes Wasserglas zaubern.
Die Szene zeigt einen Pfahl, wie man ihn unter Wasser als Überbleibsel eines urgeschichtlichen Hauses aus dem Seeboden ragen finden könnte. Daneben liegt ein kleiner Krug, wie er typisch für die sogenannte Mondseegruppe ist, eine Keramiktradition, die wir derzeit grob in die Kupferzeit einordnen können. Damit befinden wir uns in der Blütezeit der österreichischen Pfahlbauten vor annähernd 6000 Jahren.
Das ist natürlich nur eine Spielerei, die nur wenig Informationsgehalt mit sich bringt. Hoffentlich können wir aber auf diese Art und Weise positive Aufmerksamkeit erzeugen, die weiterführend auch zu mehr Verständnis und Wissen führt. Die Technologie steht hier noch am Anfang - die kleine Augmented Reality Szene hüpft am Handydisplay immer wieder etwas herum und wird nicht immer korrekt dargestellt. Dennoch zeigt dieses Beispiel, dass wir in Zukunft alle ein kleines Museum in der Hosentasche tragen könnten. Die Grenzen zwischen real und digital können immer mehr verwischt werden und so spannende Kontraste und Wahlmöglichkeiten gegeben werden.
Für uns ist der Pfahlbau-Bierdeckel ein erster Test, um mit diesen Möglichkeiten zu experimentieren und neue Wege der Vermittlung zu finden.
Heute bringen wir die Pfahlbauten also in die Wassergläser am Ball der Wissenschaften ins Wiener Rathaus. Wenn es den Leuten gefällt und ebenso viel Spaß wie mir macht, dann später hoffentlich auch einmal auf viele Wirtshaustische…denn dort sind die Bierdeckel ja noch viel besser aufgehoben.
(Danke auch an crazy eye und P&R für die Beratung und Realisierung der Idee!)
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