Was können wir machen, wenn wir den Zugang zum UNESCO-Welterbe ermöglichen wollen, unsere Pfahlbau-Welterbestätten aber allesamt unter Wasser liegen? Und nicht nur das, sie befinden sich zudem auch noch in Zonen, in denen das Tauchen nicht gestattet ist. Es können also nicht einmal die am Attersee so zahlreichen Sporttaucherinnen und Sporttaucher sich ein eigenes Bild von diesen urgeschichtlichen Siedlungen machen.
Ausstellungen, Informationsmaterialien und -Veranstaltungen, Modelle und Schaubilder - all das nützen wir schon seit Jahren, um die Besonderheit unseres verborgenen Welterbes sichtbar zu machen. Aber nicht für alle sind das die passenden Mittel, um Begeisterung und Faszination zu wecken. Wie sieht es mit denen aus, die sich ein mehr räumliches Erlebnis wünschen? Ein paar Ideen, die wir uns überlegen und sicherlich auch weiter entwickeln werden, drehen sich um virtuelle Welten bzw. auch um eine Kombination von der wirklichen Landschaft und künstlichen Welten, die Augmented Reality.
Auf diese Weise können auch Tauchgänge zu den Pfahlbauten ermöglicht werden. Ganz ohne nass zu werden, ohne zu frieren und ohne dass einem die Luft ausgehen könnte. Aber wird einem dabei auch die Luft wegbleiben? Die mir vergleichbaren Beispiele von solchen digitalen Visualisierungen von archäologischen Fundstellen sind zwar interessant und manchmal auch durchaus überzeugend, einen dauerhaft bleibenden Eindruck hinterlassen sie meiner Meinung aber noch nicht recht. Nicht ohne einen Aufwand zu betreiben, der einen in die Nähe eines modernes Block-Buster-Computerspiel führen würde.
Irgendwann haben dann Christian Schirlbauer, der Geschäftsführer des Tourismusverbandes Attersee-Attergau, und Günter Oberschmid, der Obmann des Tauchkompetenzentrums Attersee, die Idee eines Pfahlbaumuseums unter Wasser an mich herangetragen. Ich war am Anfang zugegebenermaßen eher skeptisch – besonders was die Erwartungen an ein Museum unter Wasser betraf. Allerdings war auch schnell klar, dass sich damit eine spannende Chance für ein neues Erleben der Themen "Pfahlbauten" und "Kulturerbe unter Wasser" eröffnen könnte. Schon bevor die Pfahlbauten UNESCO-Welterbe geworden sind, wurde ich immer wieder von Taucherinnen und Tauchern auf das Thema "Unterwasserarchäologie" angesprochen. Ob man nicht mehr sehen könnte und ob es nicht auch mögliche wäre, dass man die Fundstellen der Öffentlichkeit zugänglich macht. Dass der Wunsch an sich besteht, freut uns natürlich. Im Kuratorium Pfahlbauten bemühen wir uns außerdem, dem Leitgedanken der UNESCO Rechnung zu tragen, dass Kulturerbe allen zugänglich sein sollte. Die archäologischen Reste, die unter Wasser Jahrtausende überdauert haben, sind aber ausgesprochen empfindlich. Jeder Mensch, der schon einmal einen über 5000 Jahre alten Weichholzpfahl in den Händen gehalten hat, versteht, wie leicht diese wertvollen Zeugen der Urgeschichte unter unseren Fingern zerbröseln bzw. zerrieben werden. Die Fundorte sind deshalb schon seit langer Zeit durch „No-Diving“-Zonen geschützt.
Die Idee eines Museums unter Wasser war deshalb für uns besonders spannend, aber auch nicht so einfach umzusetzen. Ist die Idee, die anfangs im Raum stand, möglichst detailgetreue Modellhäuser unter Wasser aufzustellen, wie man sie aus Freilichtmuseen kennt, wirklich sinnvoll? Ist das überhaupt umsetzbar, wenn schon an Land der Erhaltungsaufwand eines maßstabsgetreuen Hausmodells derart kostspielig ist? Und wie bekäme man das überhaupt unter Wasser? Die Hürden schienen hoch und auch die Inhalte waren für mich in dieser Form nicht stimmig. Wollten wir so tun, als ob wir ganze Häuser im Attersee finden könnten? Häuser, von denen wir das genaue Aussehen gar nicht kennen, die also für sich in ihrem Reichtum an Varianten der Umsetzung schon viel Erklärungsbedarf haben und viele Fragen aufwerfen? Und das vor allem auch noch in Tiefen, in denen unter normalen Umständen keine Pfahlbauten mehr zu finden sind?
Eigentlich wollten wir auch lieber jene Themen präsentieren, zu denen es schon umfassendere Forschungsergebnisse gibt. Und das eben auf eine Weise, die dem Tauchen und den Bedingungen unter Wasser gerecht wird. Die Aufmerksamkeit unter Wasser ist durch verschiedene Faktoren noch viel mehr als in einem normalen Museum eingeschränkt: Der limitierte Vorrat an Luft, den man mit sich führen kann, begrenzt jeden Tauchgang. Ohne genügend Bewegung kühlt der Körper auch schnell aus und je nach taucherischen Fähigkeiten kann es auch schwierig sein, an einer Stelle ruhig zu verharren, um beispielsweise einen langen Text zu den Rekonstruktionsvarianten urgeschichtlicher Häuser zu lesen. Die Menschen lesen oft schon die Begleittexte in den Museen und Ausstellungen an Land nicht, umso weniger wahrscheinlich wäre das also an Stellen mit eher widrigen Umständen. Es sind also weniger die Details, sondern es ist das Erlebnis an sich und der erste Eindruck den man gewinnt, was unter Wasser wirken kann. Gepaart mit gezielter und knapper Information sowohl an Land, als auch bei den Tauchattraktionen selbst.
Aus diesem Grund haben wir ein Konzept entwickelt, dass eher der Startpunkt für eine persönliche Reflexion des Themas "Pfahlbauten" und "Kulturgut unter Wasser" sein soll: Ein Haus. Neun Figuren. 111 Pfähle.
Das Pfahlbau-Modell in Weyregg ist eine sehr vereinfachte Darstellung eines Hauses, das auf 15m Tiefe - also weit mehr als 10m tiefer als unsere Pfahlbaureste im Attersee sich tatsächlich befinden - aufgestellt wurde. Hier soll unter anderem die Größe eines solchen Hauses für die Taucherinnen und Taucher erlebbar werden. Auf den Informationstafeln finden sich Inhalte zur Holznutzung allgemein und zu Techniken des Hausbaus in der Pfahlbauzeit. Über die Taucheinstiegsstelle Hinkelsteine in Steinbach am Attersee gelangt man zu den Menschen der Urgeschichte. Vereinfachte Statuen und Infotafeln verdeutlichen, wie Kleidung, Ausrüstung und Schmuck damals ausgesehen haben bzw. haben könnten. Ein weiteres taucherisches Erlebnis sind die 111 Pfähle des Pfahlbau-Waldes in Nussdorf, wo wir unter anderem erklären, was heute noch von den mehrere Tausend Jahre alten Dörfern übrig ist und wo sich unser Welterbe, das sich über mehrere Länder des Alpenraumes erstreckt, genau verbirgt.
Von Anfang an hofften wir, durch diese „Zeitreise unter Wasser“ zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen zu können: Zum einen war es unser Ziel, ein spannendes Angebot für einen abwechslungsreichen Tauchgang zu schaffen, bei dem sogar etwas gelernt werden kann. Zum anderen wollten wir auf diese Weise erreichen, dass die Pfahlbauten auch unter Wasser dauerhaft einen interessanten Anblick bieten. In natura wirken sie nämlich erst einmal nicht besonders spannend oder lehrreich. Sie eröffnen ihre Geheimnisse erst mit der archäologischen Forschung. Ansonsten sind sie recht unscheinbar anzusehen - meist sieht man an den Fundstellen nur den blanken Seeboden oder allenfalls ein paar von Wellen und Strömung abgewetzte und zersetzte Pfahlenden im eher flachen Wasser. Das ist sowohl taucherisch als auch optisch kein besonderes Erlebnis. Mit dem Projekt „Abenteuer Pfahlbau unter Wasser“ kann man sich nun ganz neu an das Thema annähern und ein erstes atmosphärisches Erlebnis von Archäologie und der Vielfalt von Kulturerbe dort bekommen, wo die meisten unserer Fundstellen verborgen sind, nämlich im See. Der See wird es dann auch sein, der dafür sorgt, dass in kürzester Zeit diese drei Orte einen geheimnisvollen Touch bekommen werden. Wir selbst werden uns in Zukunft weiterhin darum kümmern, mit neuen Inhalten und neuen Ideen dieses „Abenteuer unter Wasser“ immer attraktiver zu machen.
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